WILLKOMMEN IN HERAT – DIE PERLE KHORASANS
- 17. September 2016
- Afghanistan
Wenn dich jemand fragt, welche die schönste der Städte ist,
du magst ihm richtig antworten, dass es Herat ist.
Denn die Welt ist wie das Meer,
und die Provinz Khorasan wie eine Perlenauster darin.
Die Stadt Herat, als Perle, in der Mitte der Auster.
Bereits der ruhmreiche Poet Rumi wurde in den Bann der Stadt Herat gezogen – nicht umsonst beschrieb er sie als „Perle Khorasans“. Heute erinnern nur noch wenige Gebäude an die ruhmreiche Geschichte von Herat. Reichtum und Schönheit wurden der Stadt an der Seidenstraße zum Verhängnis und machten sie zum umkämpften Terrain von zahlreichen Eroberern.
Trotz jahrtausendelangen Konjunkturen der Blüte und Zerstörung, hat die Stadt im Westen Afghanistans einen besonderen Charme behalten: Als wir Herat besuchten waren wir hingerissen von ihrer einzigartigen kulturellen Atmosphäre. Wir wollen diese unvergesslichen Eindrücke teilen und nehmen euch mit auf eine kleine Zeitreise und eine Entdeckungstour durch Herat.
Konjunkturen des Glanzes
Im 11. Jahrhundert herrschten die Könige von Ghor in Herat. Sie waren große Kunstmäzene und Förderer der persischen Literatur aber auch der Architektur und verwandelten die Stadt in eine prächtige Metropole – über 12.000 Geschäfte, prall gefüllt mit Waren aus aller Welt und 6000 Badehäuser, Karavansereien und Mühlen, eine halbe Million Häuser und 359 Schulen zierten das Stadtbild. Diese Blütezeit fand jedoch mit dem Einfall der Mongolen unter Dschingis Khan ein jähes Ende – die Stadt wurde damals praktisch dem Erdboden gleich gemacht.
Einige Zeit später im 15. Jahrhundert wurde das Stadtbild wiederbelebt als sich die mächtigen Herrscher der Dynastie der Timuriden dazu entschieden ihren Reichtum von Samarkand nach Herat zu bewegen. Unter ihrer Herrschaft wurde Herat für knapp ein Jahrhundert zur Hauptstadt Khorasans, bis die Stadt erneut von den Usbeken und Safawiden erobert wurde.
Nach diesem Muster wuchsen und schwanden Königreiche in Herat. Unter den jüngsten Konflikten wurde die Stadt schwer zerstört. Ihre Ruinen erinnern an die Gewalt britischer und russischer Invasoren und die Brutalität des ‚War on Terror‘ gegen die Taliban.
Herat heute
Die letzten Jahrzehnte der Unruhe und des Krieges haben tiefe Spuren hinterlassen. Der einst rege kulturelle und touristische Verkehr durch die Stadt ist zum Stillstand gekommen. Bei unserer Erkundungstour waren wir meistens die einzigen „Fremden“, die sich für die Kulturschätze interessierten.
Darauf, dass in der Stadt ein unglaubliches kulturelles Potential schlummert, verwies die UNESCO im Jahr 1974, als sie die Altstadt Herats als Weltkulturerbe einstufte. In jeder anderen Stadt wären Bauwerke, Straßen und Plätze von einer solchen kulturellen Vergangenheit wahre Touristenmagnete, Attraktionen auf dem Jahrmarkt der Weltgeschichte.
Die Freitagsmoschee
Die Freitagsmoschee in Herat ist über 800 Jahre alt. Sie ist eines der schönsten islamischen Bauwerke in Afghanistan und eines der größten in Zentralasien.
Die Moschee ist klassisch angelegt. Sie liegt auf vier Iwans – das ist arabisch und beschreibt eine offene Halle, welche von einem Tonnengewölbe überdeckt wird. Die Arkadenwände umschließen einen fast 100 Meter langen Innenhof. Zwei riesige Minarette flankieren den Haupt-Iwan. Die Minarette, mit ihren sich wiederholenden Bändern von stilisierten Blumen, Arabesken und geometrischen Mustern waren für uns einfach schwindelerregend.
Wie ein Chamäleon veränderte das Gebäude sein Äußeres. Im Zuge der Machtwechsel wurde das Erscheinungsbild an die jeweilige Dynastie angepasst. Ursprünglich wurde sie von dem Ghuriden Sultan Ghiyasuddin angelegt. So zierten zunächst typischen Ghuriden Ziegel und Stuckdekorationen das Bild der Moschee. Später folgten die hellen Mosaike der Timuriden-Herrscher. Die aufwendigen Mosaike, die jetzt das Bauwerk schmücken, sind das Produkt der moscheeeigenen Werkstatt und einem seit den 1940er Jahren laufenden Restaurierungsprojekts, das die timuridische Mosaiken mit eigenen Designs, Farben und Kaligraphien verband.
Dieser „Traditionell-trifft-Modern“-Ansatz machte die Moschee zu einem der Schmuckstücke des zeitgenössischen islamisch-abstrakten Expressionismus. Atemberaubende Mosaike bestimmen das Bild, umgeben von blauen Bändern mit Koranversen. Die leuchtenden Farben, die detailreichen Verzierungen sind eine Hymne, eine überbordende Lobpreisung an Allah. Die schlichten, weißgetünchten Iwans fügen dem Ganzen einen Hauch von Bescheidenheit hinzu.
Die Zitadelle von Herat
Mit ihrer 2000 Jahre alten brachialen Geschichte wurde die Zitadelle von Herat zum Symbol der Stadt. Man geht davon aus, dass die Zitadelle (das älteste Gebäude in Herat), auf den Fundamenten einer Festung steht, die von Alexander dem Großen ungefähr 330 v. Chr. erbaut wurde. Seit ihrer Erbauung diente sie als Machtsitz, war militärische Garnison und Gefängnis zugleich.
Im Jahre 2005 übergab die afghanische Armee den Komplex dem Ministerium für Information, Kultur und Tourismus und seit dem stehen auch Außenstehenden die Türen für einen Besuch offen. Dennoch, auf unserer Entdeckungstour waren wir praktisch allein – keine Eintrittschlangen und in dem ganzen riesengroßen Komplex befanden sich keine fünf Besucher.
Die Zitadelle wurde auf einem künstlichen Hügel errichtet. Die 18 Türme ragen über 30 Meter über dem Straßenniveau, mit bis zu 2 Meter dicken Wänden. Die derzeitige Struktur wurde weitgehend von Shah Rukh im Jahre 1415 erbaut. Zu dieser Zeit wurden die Außenmauern mit monumentalen Gedichtversen in kufischen Schriftzügen geschmückt. Sie verkündeten die Erhabenheit der Burg, die „nie von den Erschütterungen der umlaufenden Zeit beeinflusst wurde“.
Leider setzte sich dieses Motto nicht weiter durch. Im Jahr 1953 konnte der damalige König Zahir Shah nur knapp den kompletten Abriss verhindern. Die folgenden unruhigen Zeiten und Jahrzehnte der Vernachlässigung haben unweigerlich große Schäden an der Zitadelle verursacht. Immer wieder plünderten Siegermächte das Gebäude und Einheimischen veräußerten die wertvollen Dachbalken und gebrannten Ziegel. Allerdings haben kürzlich hunderte afghanische Handwerker das Gebäude mit Hilfe der finanziellen Unterstützung aus Deutschland und den USA restauriert. So wurde das wunderschön restaurierte Artefakt für alle Heratis wieder zum Symbol der Hoffnung.
Vom so genannten „Timuriden Turm“, einem der wenigen Plätze, der noch von antiken wunderbaren Mosaiken geziert wird, hatten wir einen fabelhaften Blick über das bunte Stadtleben, mit all seinen verwinkelten Gassen und den trubeligen Bazaren.
Der Musalla Komplex und das Mausoleum der Gawhar Shad
Der Gawhar Shad Musalla-Komplex wurde einst unter der Führung von Königin Gawharshad, fertiggestellt. Sie war die Frau des 1447 verstorbenen Timuriden-Herrschers Shah Rukh und herrschte nach seinem Tod über sein Imperium vom Fluss Tigris bis hin nach China. Der Komplex beinhaltet heute ein Mausoleum zu Ihrer Ehre.
Fünf Minarette und spärliche Überreste stehen noch auf dem gesamte Gelände – der Komplex ist ein Schatten seiner selbst. Der einst wunderschöne Bau wurde 1885 von den Briten zerstört. Mehrere Erdbeben taten außerdem ihr übriges.
Heute haben sich Opiumabhängige in die Höhlen und Katakomben häuslich eingerichtet. Ihre Sucht, so erzählt man, finanzieren sie sich durch den Verkauf von Artefakten und anderen Kunstgegenständen. Eigentlich würden solche antike Stücke ins Museum gehören – aber hier hat man andere Sorgen.
Gazar Gah
Für das Freitagsgebet machten wir uns auf den Weg zu einem der schönsten spirituellen Gebäude in Herat: dem 5 Kilometer vom Stadtkern entfernten Schrein Gazar Gah. Er ist bei weitem nicht so groß und auch nicht so überfüllt wie die Freitagsmoschee.
Hier befindet sich das Grab des Sufi-Dichters und Heiligen Khwaja Abdullah Ansari, der im 11. Jahrhundert in Herat gelebt hat. Täglich kommen hunderte Pilger aus dem ganzen Land um zu beten und sich zu reinigen. Gazar Gah bedeutet soviel wie, “Ort der Entfärbung” und ist eine mystische Anspielung auf die Reinigung der Seele bevor man vor Allah tritt.
Aktuell wird der Grabkomplex restauriert, damit er wieder in alter Pracht erstrahlen kann.
Die Welt ist wie das Meer – sie muss die Auster nähren…
Obwohl die gut erhaltene Altstadt heute noch immer vom früheren Glanz erzählt, hält zunehmend die Moderne Einzug – historische Denkmäler zerfallen und die Perle droht ihren Glanz zu verlieren. Dass die Heratis trotz Geldmangel und Jahren des Konfliktes immer wieder weiter renovieren, zeugt von ihrem unermüdlichen Kampfgeist.
‚Die Provinz Khorasan ist wie eine Perlenauster’ sie hat das Potential wunderschöne Perlen zu produzieren. Mit dem Kauf unseres Safrans unterstützt du die Provinz und die Menschen wirtschaftlich – damit auch ihre Perle Herat irgendwann wieder in vollem Glanz erstrahlen kann!