Einblick in die afghanische Küche. Ein Gespräch mit Imraan Safi

Weißt du, wonach die afghanische Küche schmeckt?

Auf diese Frage gibt es keine einzelne wahre Antwort. Denn die afghanische Küche ist außerordentlich vielfältig. Gewürze und Rezepte aus aller Welt haben sich, dank seiner geographischen Lage an der Seidenstraße, in diesem kulturell reichen Land gesammelt und prägen die Gerichte bis heute. Der kulturelle Reichtum berührt auch die Esskultur: in Afghanistan dreht sich viel um das gemeinsame Kochen, Essen und Teilen, wie uns Imraan Safi erklärt. 

Imraan wurde in Afghanistan geboren. Er hat Kabul 2014 verlassen und lebt heute in München. Er ist Fremdsprachenkorrespondent, begeistert sich für die afghanische Küche und beteiligte sich zudem an einem afghanischen Kochbuch, in das er auch einige persönliche Geschichten einfließen ließ: Salam – Rezepte und Geschichten aus Afghanistan. Magisch. Geheimnisvoll. Überraschend. In diesem bringt er uns die afghanische Kultur ein Stück näher, sogar bis auf unseren Teller.

Salam ist ein Kochbuch, das seinem Titel gerecht wird – eines, das verzaubert. Es ist ein Buch, das es schafft die Vielfalt und raue Schönheit Afghanistans in Rezepten abzubilden.

Wir haben mit Imraan Safi ein Gespräch über Esskultur, Gastfreundschaft und die afghanische Küche geführt und spannende persönliche Einblicke erhalten:

Bei uns hat man gern gekocht. Meine Oma hat gern gekocht, meine Mama hat gern gekocht. Wir hatten immer Gäste da! Ich konnte sie stets ein bisschen dabei beobachten.

Kulinarische Kindheitserinnerungen

In Afghanistan kochen traditionell die Frauen – erzählt uns Imraan. Sie hätten die Zeit dazu, denn die meisten afghanischen Frauen seien Hausfrauen. Ein bisschen kann man das wohl auch in ihren Rezepten sehen – schließlich bedürfen viele einer langen Vorbereitung oder stehen danach noch stundenlang auf dem Herd. Allerdings gilt dies zumeist nur für festliche Gerichte. Klassische Gerichte, die viel Zeit benötigen, werden nicht täglich sondern nur zu besonderen Anlässen (Hochzeit, Geburt, Ramadan und für Besuch) zubereitet. Dazu zählt er zum Beispiel Halwat (Grießpuddding mit Kardamon und Rosinen), Elefantenohrenbrot, Qabuli Palau (Reis mit Lamm, Karotten und Rosinen; dies ist ürbigens das afghanische Nationalgericht) und Mantu (Teigtaschen mit Hackfleisch).

Bei so viel weiblicher Kochtradition, ist es für uns spannend zu erfahren, wie Imraan selbst dazu gefunden hat, den Kochlöffel in die Hand zu nehmen und sogar ein Kochbuch zu schreiben! Schon als Kind hatte er viel Zeit in der Küche verbracht und seine Mutter und Großmutter beim Kochen beobachtet, berichtet er uns. Die beiden Frauen haben sehr gern gekocht und hatten immer viele Gäste da. Als er schließlich allein nach Kabul zog, um zu arbeiten, und schlichtweg gezwungen war, für sich zu kochen, begann er schnell große Freude daran zu finden, alles Mögliche selbst auszuprobieren, was er von zuhause kannte. Später, in Deutschland, kochte er im Wohnheim für Geflüchtete und begann eigene Rezepte und Tipps online zu stellen.

Gastfreundschaft und gutes Essen

„Gastfreundschaft ist sehr wichtig. Das ist Teil unserer Tradition. Gäste werden gerne in Empfang genommen. Bei uns sagt man sogar, dass der Gast ein Geschenk Gottes ist. Alles, was man zuhause hat, teilt man gerne mit dem Gast und ihn zu bekochen bereitet Freude. Generell sind wir hier weniger zurückhaltender als die Deutschen. Wir laden sogar Leute zum Essen ein, die wir gar nicht kennen.”

Gastfreundschaft ist in Afghanistan von ganz besonderer Wichtigkeit. Der Gast wird herzlich empfangen und für ihn wird umfangreich und lange gekocht. Dabei ist es vollkommen egal, ob der Gast einem eng vertraut oder ein völlig Fremder ist. Jede*r wird gern eingeladen, und Freunde sowieso. Auch in Deutschland lädt Imraan gerne Leute zu sich ein, allerdings sind die Menschen hier oft zurückhaltender. Freuen sich dann aber sehr und sind ganz besonders überrascht so ausgiebig, aufwendig und schön bekocht zu werden.

Meine deutschen Freunde sind meist überrascht, von der Vielfalt an Gerichten, die ich auf den Tisch bringe, wenn ich sie zum Essen einlade. Sie erwarten die Gastfreundschaft nicht. Auch die Aufwendigkeit und das lange Kochen haben sie nicht erwartet. Das ist für sie oft nicht üblich.

In Afghanistan ist gutes Essen sehr wichtig – auch wenn der Gürtel enger geschnallt werden muss. Egal, ob arm oder reich, teilen die Menschen gerne miteinander und tischen für ihre Gäste stets ein reichhaltiges Mahl auf, erzählt uns Imraan. Gutes Essen sei für ihn Essen, das man einem Gast servieren könne und das wiederum kann alles mögliche sein, solange es gut gemeint ist. In Afghanistan gibt es hierfür sogar ein Sprichwort, das sehr viel Gewicht auf die innere Absicht legt:

Du kannst Brot mit Zwiebeln servieren, aber wenn du es gut meinst, ist es viel wert.

Gutes Essen hat für Imraan aber auch viel mit der Qualität der Lebensmittel zu tun: Lammfleisch ist in Afghanistan besonders teuer und der auffallend langkörnige Sella Reis – der in seiner Heimatregion im südöstlichen Afghanistan in jedem kleinen Familienbetrieb traditionell selbst angebaut und mit den Nachbarn geteilt wird – hat eine besonders gute Qualität. In Deutschland ist dies oft anders. Hochwertige Lebensmittel findet er hier seltener. Dafür muss er schon in Bioläden, beim Biometzger oder beim Landwirt direkt einkaufen. Einige afghanische Lebensmittelläden hat er in Deutschland jedoch auch schon entdeckt. 

Regionalität und Safran

Die afghanische Küche ist regional sehr unterschiedlich. So sind oft von Region zu Region andere Gewürze und Einflüsse vorherrschend. Dennoch lassen sich die verschiedenen Gerichte leicht abwandeln und variieren. Es gibt also kulinarisch eine große Vielfalt und Freiheit. So erklärt uns Imraan zum Beispiel:

In Herat, das nah an der Grenze zum Iran liegt, wird viel mit Safran gekocht. In meiner südöstlich gelegenen Region eher nicht. Hier hat die Küche mehr indische und pakistanische Einflüsse. Dennoch lassen sich meine Rezepte gut mit Safran verfeinern. Vor allem Reisgerichte eignen sich dafür gut. Etwa Chalau, ein einfacher Gewürzreis, oder Shulaesat.

Imraan kann sich eine Verfeinerung seiner Rezepte durch die Zugabe von Safran, wie es etwa im Norden des Landes üblich ist, sehr gut vorstellen. Und dabei ist auch gar nicht viel zu beachten. Vielleicht nur eine Anmerkung: Safran ist wasserlöslich und bereits 0,2 Gramm reichen locker für eine große Menge Reis aus. Die Safranfäden sollte man mind. 20 Minuten vor Verwendung in Wasser oder Alkohol einlegen, sodass Geschmack und Farbe ausreichend Zeit haben, sich zu lösen und voll zu entfalten. Anschließend kannst du ihn wie jedes andere Gewürz einfach im Laufe des Kochprozesses zum Gericht hinzugegeben, wann immer es dir beliebt.

Afghanisch - bayrischer Genuss

Zuletzt rät uns Imraan noch, uns nicht gleich verschrecken zu lassen, wenn ein Gericht nicht direkt beim ersten oder zweiten Mal gelingt. Manche Gerichte brauchen eventuell etwas länger oder sind das erste Mal noch etwas schwierig nachzukochen, wenn man die afghanische Art zu kochen noch nicht kennt. Das soll einen jedoch keinesfalls davon abhalten, es nicht wieder und wieder zu probieren. Denn der Genuss belohnt später sehr. 

Sein persönliches afghanisches Lieblingsgericht ist Dopiaza – ein Lammfleischgericht mit gaaaaanz viel Zwiebeln und Kichererbsen auf Fladenbrot. In Deutschland geht er hingegen gerne in den Biergarten und genehmigt sich typisch bayrische Speisen, zum Beispiel “Händel und Obazda”.

Das Conflictfood-Team wünscht Imraan und dir “Nosche Jan” – Guten Appetit!

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