Tee ist das beliebteste Getränk der Welt – nach Wasser. Über 3 Billionen Tassen werden jedes Jahr weltweit konsumiert. Doch der Weg des Tees vom Luxusgut der Aristokratie zum Massenprodukt der Moderne ist eine Geschichte voller Macht, Ausbeutung und Rassismus. Um Tee wirklich wertzuschätzen und seine Geschichte zu verstehen, ist es wichtig, über seinen kolonialen Ursprung nachzudenken und Schritte zur Dekolonisierung zu unternehmen.
Die dunkle Geschichte des Teehandels
Der Teehandel wurde ab dem 17. Jahrhundert von europäischen Kolonialmächten dominiert. Länder wie Großbritannien nutzten den Teehandel, um Reichtum und Macht zu sichern – oft auf Kosten der indigenen Bevölkerung. Teeplantagen in Indien, Sri Lanka, Indonesien und später Afrika wurden nach dem Vorbild von Zucker- und Baumwollplantagen betrieben. Die Arbeitskräfte wurden durch Täuschung, Zwang oder brutale Methoden rekrutiert, was die koloniale Ausbeutung der Teeproduktion bis heute spürbar macht.
Ein besonders düsteres Kapitel ist der Opiumhandel, der in den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts kulminierte. Großbritannien zwang China durch militärische Gewalt, den Handel mit Tee und anderen Waren zu öffnen – ein Beispiel für die tiefgreifende Verbindung zwischen Tee und imperialistischen Machtstrukturen.
Koloniale Strukturen wirken bis heute nach
Auch wenn die Teeproduktion in Ländern wie Indien, Kenia oder Sri Lanka heute technisch unabhängig ist, reproduzieren viele der alten Lieferketten weiterhin koloniale Wertesysteme. Die Kontrolle über den globalen Teehandel liegt oft in den Händen multinationaler Konzerne in Europa oder den USA. Gleichzeitig profitieren viele der Menschen, die den Tee anbauen, kaum von den Gewinnen.
Die Kommerzialisierung des Tees hat den Wert der Menschen hinter dem Produkt aus dem Blickfeld gerückt. Es geht darum, diese Ungleichheiten sichtbar zu machen und zu hinterfragen: Wer profitiert vom Teehandel, und wer wird ausgebeutet?
Wie kann man Tee dekolonisieren?
Dekolonisierung beginnt mit der Wiederherstellung der Verbindung zwischen dem Tee in deiner Tasse und seinem Ursprung. Es geht darum, die Geschichten der Produzenten zu erzählen, ihre Arbeit wertzuschätzen und die Kontrolle über die Wertschöpfungskette zu ihnen zurückzugeben.
Charlene Wang de Chen, Expertin für Teehandel, schlägt vor, mit der eigenen Wahrnehmung von Tee zu beginnen. „Wenn Sie eine geschmackliche Beziehung zur Teepflanze aufbauen, können Sie beginnen, die Fähigkeiten der Produzenten in Anbau, Ernte und Verarbeitung zu schätzen.“ Dies fordert die Annahmen heraus, was Tee wertvoll macht, und hilft, koloniale Perspektiven zu überwinden.
Conflictfood: Schritte zur Dekolonisierung des Tees
Conflictfood arbeitet seit 2017 mit einer Tee-Kooperative im Shan-State in Myanmar zusammen. Diese Kooperative ist genossenschaftlich organisiert und setzt auf fairen Handel ohne Zwischenhändler. Die Bäuer*innen – größtenteils Angehörige der ethnischen Minderheit der Ta’ang – erhalten gerechte Preise, die ihnen ein stabiles Einkommen und wirtschaftliche Perspektiven ermöglichen.
Die Mischkultur aus Teepflanzen und Ingwer steigert nicht nur die Qualität der Ernte, sondern schützt die Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten. Der kontrolliert biologische Anbau verzichtet vollständig auf Pestizide und chemische Dünger, was sowohl der Umwelt als auch den Arbeitsbedingungen zugutekommt.
Conflictfood versteht sich als Sprachrohr der Produzenten: Jeder Tee wird mit einem Journal geliefert, das über die Lebensrealität der Bäuer*innen informiert. QR-Codes auf den Verpackungen ermöglichen eine virtuelle Reise zum Ursprung des Tees. So wird die Verbindung zwischen dem Produkt und den Menschen, die es herstellen, wiederhergestellt.
Wertschätzung statt Massenware
Um den Tee und seine Geschichte zu ehren, bietet Conflictfood ausschließlich losen Tee an – ungestreckt und unvermischt. Diese Form des Tees entspricht den traditionellen Praktiken in Myanmar und China und erlaubt es, die Aromen des Tees bei mehreren Aufgüssen voll auszuschöpfen. Das ist nicht nur ökologisch und ökonomisch sinnvoll, sondern auch ein Akt der Wertschätzung gegenüber der langen Geschichte des Tees.
Ein Schritt in Richtung Veränderung
Dekolonisierung bedeutet, die Machtverhältnisse entlang der Teeproduktion zu hinterfragen und die Menschen hinter dem Produkt ins Zentrum zu stellen. Jeder Schritt – vom bewussten Einkauf über den Genuss hochwertiger Tees bis hin zur Unterstützung fairer Handelspraktiken – kann dazu beitragen, eine gerechtere Zukunft für die Teeindustrie zu schaffen.
Genieße deine nächste Tasse Tee mit dem Wissen, dass du ein Stück Geschichte und Kultur in den Händen hältst – und gleichzeitig Teil einer Veränderung bist.
Viel Freude beim bewussten Teegenuss!