Myanmar zwei Jahre nach dem Militärputsch – Ein Lagebericht

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Abbildung:  Proteste in Mayanmar, Quelle UN Human rights 

Mehr als eine Million Flüchtlinge, zerstörte Infrastruktur und Todesurteile gegen Oppositionelle. Laut der UN zeigt sich die Militärführung des Landes zu keinem Dialog bereit. Zwei Jahre nach dem Militärputsch spitzt sich die humanitäre Lage in Myanmar weiter zu. Seit dem Umsturz am 1. Februar 2021 versinkt das Land in Chaos und Gewalt.

So geht die Militärjunta zunehmend brutal gegen die Proteste vor. Die Bevölkerung ist laut dem UN-Menschenrechtsbüro militärischen Angriffen, außergerichtlichen Hinrichtungen und der Zerstörung ihrer Dörfer ausgesetzt. In den vergangenen zwei Jahren sind fast 3000 Menschen von den Militärs getötet und mehr als 16 000 festgenommen worden.
Die UN beklagt insbesondere die Folgen bewaffneter Kämpfe für die Zivilbevölkerung sowie Zugangsbeschränkungen und Drohungen gegen Beschäftigte von Hilfsorganisationen. Zudem sei die zivile Infrastruktur zerstört worden, darunter Zehntausende Häuser, Klöster, Kirchen und Schulen.

Mittlerweile gibt es mehr als 1,4 Millionen Binnengeflüchtete und circa 50.000 Menschen mussten in die Nachbarländer fliehen. Tausende Einzelschicksale – und eines davon geht uns besonders nahe:

Unsere Kaffee-Produzentin auf der Flucht

Frau Bu Saw, Sozialunternehmerin und Geschäftsführerin der Jadae Akha Group – Conflictfoods langjährige Partnerin und Lieferantin des Jadae Kaffee – musste vor der Gewalt des Militärregimes aus Myanmar fliehen und konnte in einem Nachbarland Schutz finden.

In einem Interview erzählt sie uns, warum sie geflohen ist und gibt uns ihre Sicht auf die aktuelle Situation in Myanmar.

31.01.2023

Happy Chinenese New Year, Busaw, wir geht es dir? 

Happy Chinese New Year! Danke, mir geht es den Umständen entsprechend gut. Mein Partner und ich haben einen sicheren Ort in einem benachbarten Land gefunden. Ich lenke nun von der Ferne aus die Schritte der Firma.

Wie geht es deinem Team auf der Kaffeefarm?

Das Team kommt irgendwie über die Runden. Derzeit können wir einen Teil der Ernte an lokale Röstereien verkaufen – weit unter dem Marktwert. Aber andere Optionen sehe ich derzeit keine. Für den Export nach Europa ist der bürokratische Aufwand seit letztem Jahr unüberschaubar geworden. Mit unserem Team diskutieren wir, ob wir eventuell eine Produktionspause einlegen. 

Warum ist die Kaffeeproduktion derzeit so schwierig?

Die Zukunft des Kaffee Sektors ist total ungewiss und hängt von der politischen Lage des Landes ab.
Wir können derzeit überhaupt nicht voraus planen. Die Ernte kann nur bei guter Sicherheitslage erfolgen. Die frische Ernte muss in der nächstgrößeren Stadt rasch weiterverarbeitet werden, dort ist die Lage aber ganz besonders unsicher. Auch in den entlegenen Dörfern ist das Militär präsent. Ganz ehrlich – für unser Team ist es eine enorme Herausforderung, seit der Pandemie und seit dem Umsturz ein Geschäft zu führen. 

Ist die Lage im ganzen Land so angespannt?

Ja, allen geht es so! Im ganzen Land ist die Arbeitslosigkeit extrem hoch, viele Firmen und Fabriken sind bereits geschlossen. Die Inflation sorgt dafür, dass viele sich Lebensmittel nicht mehr leisten können. Es fällt uns schwer, in dieser Situation eine Perspektive für die Zukunft zu erkennen. Immer mehr Menschen suchen die Möglichkeit, aus dem Land zu kommen und eine bessere Zukunft zu finden.

Danke, BuSaw, für das Gespräch!

Danke für eure unermüdliche Unterstützung!

Den Dank von BuSaw geben wir gerne an unser Kund*innen weiter!

Wie geht es weiter?

Wir wissen nicht, wie lange wir der Jadae Kaffee in unserem Sortiment weiter führen können. Bu Saws Geschichte zeigt uns, das Konsum sein Grenzen hat und das kann viele Gründe haben. Nicht alles ist immer und zu jederzeit verfügbar. Wir müssen inne halten und uns stets die Frage stellen, welche Auswirkungen hat meine Kaufentscheidung auf mich, meine Mitmenschen und die Umwelt!? Der ungezügelte Wachstum stösst an seine Grenzen. Um so mehr sollten wir uns an ethischen Kriterien beim Einkauf orientieren und schauen, woher kommen meine Produkte und wie geht es den Menschen vor Ort.

Wir bleiben im Austausch mit Bu Saw und hoffen auf eine positive Wende in ihrem Heimatland.

Weitere Produkte aus Myanmar

Ivan Chai – ein wunderbarer Tee aus einer wunderbaren Pflanze

Wir sind von unserer Reise durch die Ukraine zurückgekehrt und haben eine ganz besondere Köstlichkeit mitgebracht – den vollmundigen Kräutertee Ivan Chai. Die Grundlage für diesen Tee bildet nicht etwa die Teepflanze Cameilla Sinensis sondern ein rosa blühendes botanisches Wunder – das Weidenröschen. 

Darf ich vorstellen: Ivan Chai! 

Wir von Conflictfood handeln seit dem Herbst 2022 mit Bio-bäuer*innen in den ukrainischen Karpaten. Fair und direkt. Das stärkt die lokale Wirtschaft und ihre Identität – in Krisenzeiten ist das ein hohes Gut. 

Wir besuchten das kleine Dorf Izky, in Transkarpatien, dort leben die Menschen im Einklang mit der Natur. Das Wissen um die Heilkraft von Pflanzen wird den nachkommenden Generationen weitergegeben – auch das Wissen über das Epilobium angustifolium – dem Weidenröschen. 

Das schmalblättrige Weidenröschen ist eine Heilpflanze, deren ursprüngliche Heimat in Nordamerika liegt. Es dürfte sich über die frühere Landbrücke zwischen Alaska und Sibirien weiter auf der nördlichen Halbkugel verbreitet haben.

Lasst uns Weidenröschen pflücken…

Im Sommer werden ihre Blätter von der Dorfgemeinschaft gepflückt, in der Bio-Manufaktur Molfar fermentiert und danach getrocknet. So wird aus dem Weidenröschen unser Ivan Chai. Seine aromatische und mild-herbe Note erinnert an Schwarztee, sein Duft an warmen Honig. Ivan Chai ist frei von Koffein, wirkt beruhigend und sorgt für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden. Das macht ihn zum idealen Getränk für entspannte Abende. 


Die Pflanzen sind enorm anpassungsfähig und siedeln sich auf karge Flächen, frisch gerodeten Wäldern, aber auch auf Schutt, Trümmerfeldern und sogar in Bombenkratern als eine der ersten Pflanzen an. Im Zweiten Weltkrieg hauchte das Weidenröschen den ausgebombten deutschen Städten als erste wieder Leben ein. Ihre Wurzeln graben sich tief in den Boden, bringen Nährstoffe ein und schützen ihn vor Erosion. 

Lasst uns auch den Namen zerpflücken…

Der Gattungsname Epilobium setzt sich aus drei griechischen Wörtern zusammen: ‚epi‘ (= auf), ‚lobos‘ (= Schote) und ‚ion‘ (= Veilchen). Daraus wird „Veilchen auf der Schote“; tatsächlich ähneln die auf dem schotenförmigen Fruchtknoten sitzenden Blüten dem Veilchen. Aangustifolium verweist auf die Form der Blätter (lat. ‚angustus‘ = schmal, ‚folium‘ = Blatt).

Der deutsche Namen „Weidenröschen“ macht deutlich, dass die Blätter denen der Weide (Salix) ähneln; die Blüten haben zwar keine Ähnlichkeit mit der Rose, aber bei rotblühenden Blumen kommt die Farbe im deutschen Name häufig als „Rose“ oder „Röschen“ zum Ausdruck.

Das Schmalblättrige Weidenröschen kann bis zu 2 m hoch werden, der Stängel ist allenfalls im oberen Teil verzweigt. Die purpurroten Blüten mit ihren vier 15 mm langen Blütenblättern stehen in verlängerten Trauben oberhalb der Blattregion und blühen von unten nach oben auf. Die Frucht ist eine bis 3 cm lange Kapselfrucht. Blütezeit des Weidenröschens ist Juli bis spät in den September, wenn die meisten Pflanzen schon längst Samen und Früchte gebildet haben. Im Spätsommer ist das Weidenröschen der ideale Energielieferant im Spätsommer für Insekten. Bienen und Schmetterlinge lieben den intensiven Nektar der rosafarbenen Blüten. 

So schmeckt die Ukraine!

Unser handverlesener Kräutertee stammt aus biologisch zertifizierter Wildsammlung aus der Region der ukrainischen Karpaten

Seine aromatische und mild-herbe Note erinnert an Schwarztee, sein Duft an warmen Honig. Ivan Chai ist frei von Koffein, wirkt beruhigend und sorgt für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden. Das macht ihn zum idealen Getränk für entspannte Abende. 

Probiere den Ivan Chai gleich mal aus!

Die Geschichte Kambodschas – Schreckensherrschaft der Khmer Rouge

Im ersten Teil unseres Rückblicks hast du von Kambodschas Entwicklung vom mächtigen Khmer Reich bis hin zum Nebenschauplatz des Vietnam Krieges erfahren.

Die Schreckensherrschaft der Khmer Rouge

Die Khmer Rouge errichteten eine der grausamsten Schreckensherrschaften des 20. Jahrhunderts. An der Spitze des Terrorapparates stand der unter dem nom-de-guerre bekannt gewordene Pol Pot, auch “großer Bruder” genannt. Er beherrschte das “Gefängnis ohne Wände” für drei Jahre.

Die genauen Todeszahlen sind bis heute unbekannt, weiterhin werden neue Massengräber entdeckt. Wahrscheinlich verloren zwischen 1,7 und 2,2 Millionen Menschen durch die Khmer Rouge ihr Leben –  etwa ein Viertel der damaligen Bevölkerung.

Unter ihnen waren viele ethnische Minderheiten, Intellektuelle, Mönche und andere Geistliche, Künstler*innen, Ausländer*innen sowie Beamte der alten Regierung. Sie alle wurden zu Klassenfeinden erklärt und sofort ermordet oder verhaftet und in Folter- und Verhörzentren inhaftiert. Das Sicherheitsgefängnis 21 in Phnom Penh ist das wohl berüchtigste dieser Folterzentren: Von den ca. 20,000 Insass*innen überlebten genau 7.

Doch auch andere Bevölkerungsgruppen wurde von den Khmer Rouge nicht verschont. Sie wollten Kambodscha in Anlehnung an vergangene Blütezeiten zu einer agrarischen Gesellschaft umbauen. Die Stadtbevölkerung als “Klassenfeind” wurde in langen Gewaltmärschen auf das Land zwangsumgesiedelt. Zehntausende verloren bei diesen teilweise wochenlangen Märschen ihr Leben. Zurück blieben Geisterstädte: Phnom Penh wurde innerhalb weniger Tage nach der Machtübernahme der Khmer Rouge von einer 2 Millionen zu einer 20,000 Einwohner-Stadt.

Unter strengster Überwachung mussten die Menschen auf den Feldern zu arbeiten, ein 12-Stunden Tag war dabei keine Ausnahme. Viele starben an Unterernährung, Überarbeitung und Krankheit. Wer sich wehrte, wurde sofort getötet. Im “neuen Zeitalter”, das die Khmer Rouge mit ihrer Machtübernahme ausriefen, blieb kein Platz für Individualität. Alle trugen schwarze Einheitskleidung, auch reden während der Arbeit war verboten.

Geld und Privatbesitz wurden abgeschafft, Bücher verbrannt und Tempel, Pagoden sowie Schulen, Betriebe und Krankenhäuser zerstört oder zu Folterzentren umfunktioniert. Mit Ausnahme der Staatspropaganda war jegliche Form der Unterhaltung verboten. Pol Pot kappte alle Verbindungen zur Außenwelt, mit seinem “Steinzeitkommunismus” wollte er Kambodscha zum autarken Staat machen.

Ende des Terrors, Beginn neuer Kriege

Über drei Jahre herrschten die Khmer Rouge Kambodscha während die internationale Gemeinschaft wegschaute. Erst Ende 1978 marschierte Vietnam in Kambodscha ein, Auslöser dafür waren mehrere Grenzüberschreitungen durch die Khmer Rouge gewesen. Innerhalb weniger Wochen eroberte die vietnamesische Armee Phnom Penh und beendete die Herrschaft der Khmer Rouge.

Das Terrorregime war damit zwar abgesetzt, dem Konflikt jedoch kein Ende gesetzt. Im Untergrund kämpften die Khmer Rouge weiter einen Guerilla-Krieg gegen die Regierung der vietnamesischen Besatzung. Sie bekamen Unterstützung von China und den USA, die dadurch Vietnam schwächen wollte. Ohne diese militärische und finanzielle Unterstützung wären die Khmer Rouge nach 1979 kaum zu ihrem noch zwei-Jahrzehnte andauernden Widerstand fähig gewesen.

1989 zogen sich die Vietnamesen aus Kambodscha zurück. Zwei Jahre später wurde ein Friedensabkommen zwischen den Khmer Rouge und der Regierung unterzeichnet. Eine Übergangsregierung der Vereinten Nationen sollte für Stabilität, Versöhnung und faire Wahlen sorgen. Die Khmer Rouge jedoch weigerten sich, die Wahlergebnisse anzuerkennen und führten ihren Guerillakampf weiter. Erst 1999 ergaben sich die letzten Khmer Rouge Kämpfer nach dem Tod ihres Anführers Pol Pot, der Bürgerkrieg wird damit endgültig beendet.

Versuche der Aufarbeitung

Drei Jahrzehnte vergingen zwischen dem Sieg über die Khmer Rouge und dem Beginn des Aufarbeitungsprozesses. Für die lange Verzögerung ist nicht nur der anhaltende Bürgerkrieg in Kambodscha verantwortlich; die Vereinten Nationen und westliche Staaten verschlossen lange ihre Augen vor dem, was passiert war. 1997 nutzen sie erstmals überhaupt den Begriff des Genozids für die Gräueltaten der Khmer Rouge.

2006 einigten sich Kambodscha und die Vereinten Nationen auf die Einrichtung Rote-Khmer Tribunal mit einzigartigen Strukturen: Opfer dürfen vor dem Gericht Klagen einreichen, die dann als Beweismittel gegen die Angeklagten verwendet werden.

Das Gericht arbeitet auch an kollektiven Entschädigungen für die Opfer. Dazu gehören Projekte zum Bau von Straßen und Schulen, aber auch Therapieangebote und Aufklärungsarbeit. Den Meisten ist bewusst, dass die Narben der Khmer Rouge Zeit dadurch nie ganz geheilt werden können. Sie zerstörten Infrastrukturen und Besitztümer sowie Dokumente über Landbesitz – und legten damit die Grundlage für Landraub. Die Ausrottung einer ganzen Generation von Intelligentsia ist bis heute durch Defizite beispielsweise im Justizsystem zu spüren.

Schätzungen zufolge leben rund 20% der Kambodschaner*innen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, dazu kommen die immer noch spürbaren Verluste von Familienmitgliedern.

Umso wichtiger ist es, dass das Rote-Khmer Tribunal auch einen öffentlichen Diskurs anregt. Lange wurde in den Schulen nicht über die Khmer Rouge gesprochen, die junge Generation wusste kaum Bescheid. Obwohl das Thema im Bildungssystem immer noch nur oberflächlich behandelt wird und wenig Unterrichtsmaterial zur Verfügung steht, lernen mehr und mehr Kambodschaner*innen über die Vergangenheit ihres Landes.

Ein Blick in die Zukunft

Von außen betrachtet mögen die Ereignisse in Kambodscha eindeutig erscheinen: Es gibt Opfer und Täter, “gut und böse”. Tatsächlich funktioniert diese schwarz-weiße Sichtweise jedoch bis heute nicht, denn die Linien zwischen Opfern und Tätern verschwimmen. Kambodschas Premierminister Hun Sen war selber bis 1977 ein Khmer Rouge, ebenso wie viele andere Regierungsmitglieder. Frühere Kindersoldaten sind heute Teil der Gesellschaft. Auch höhere Entscheidungsträger leben ungestört weiter. In vielen Familien lassen sich sowohl Opfer als auch Täter finden, einige Menschen vereinen beide Rollen.

Es gibt also keine eindeutige Antwort auf die Frage, wie die Narben der Konflikte und Gräueltaten am besten zu heilen sind. Der Aufarbeitungsprozess muss weiter laufen, sowohl juristisch als auch inmitten der Gesellschaft.

Für die Kambodschaner*innen, vor allem die junge Generation, spielt aber nicht nur die Vergangenheit eine Rolle. Sie schauen in die Zukunft. Die Klimakrise und der Abholzungswahn stellen Kambodscha vor neue Herausforderungen mit neuen Konflikten. Auf der Suche nach langfristigen und nachhaltigen Perspektiven lohnt sich ein Blick auf den Kampot Pfeffer. Durch die Wiederbelebung des traditionsreichen Anbaus kommen Bäuer*innen in der Kampot Region zu einem sicheren Einkommen. So ist es auch im Sindora Garden. Die Gründer*innen Keo und Malika haben eine grüne Oase inmitten des abgeholzten und verwüsteten Süden Kambodschas geschaffen. Mit viel Zuwendung pflanzten sie hundert verschiedene einheimische Arten, die nun langsam wieder zu einem Wald heranwachsen und so die Böden wiederbeleben. Seite an Seite mit dem florierenden Wald wächst kostbarster Kampot Pfeffer, der nach alten Traditionen in sorgfältiger Handarbeit geerntet wird.

Der Militärputsch befeuert das Goldene Dreieck

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Dieses undatierte Bild, vom UN Office on Drugsand Crime (UNODC), zeigt blühende Mohnblumen in den Bergen des östlichen Shan-Staates in Myanmar.

Im ersten Teil hast Du von der Geschichte und den Umständen des Opiumanbaus im Goldenen Dreieck erfahren. Hier erhältst du einen Einblick in die Geschehnisse seit dem Militärputsch in Myanmar.

Vor dem Coup

Der Anbau von Schlafmohn hat im Goldenen Dreieck eine lange Geschichte, die einfach nicht enden will. Im Laufe der Geschichte wurde die Produktion des Opiums in Myanmar durch verschiedene Bedingungen gefördert, aber vor allem die Korruption und Konflikte im Vielvölkerstaat schufen einen Nährboden für die Drogenproduktion und den Drogenhandel. Vor allem im Shan-Staat können sich bewaffneten Gruppierungen durch ihn finanzieren. 

 

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Nach dem Coup

Durch den Militärputsch im Februar 2021 und dem seither anhaltenden Bürgerkrieg wurde Öl ins Feuer gegossen. Die ohnehin geschwächte Wirtschaft, leidet unter dem Verlust internationaler Investoren und ist stark eingeschränkt durch Sanktionen. Für die Bevölkerung überlebenswichtige Mittel werden zurückgehalten und im Kampf gegen die Demokratiebewegung eingesetzt. Diese Notlage konnten einzelne bewaffnete ethnische Minderheiten, die im Drogenhandel verwickelt sind, nutzen und ihren Einfluss und ihr Territorium vergrößern.

All das führte dazu, dass die Schattenwirtschaft hinter der Mohnpflanze wieder beschleunigt wurden, wodurch die Zahlen der Drogenproduktion und des Drogenschmuggels in die Höhe schnellten. Seit 2014 war eine stetige Abnahme des Opiumanbaus zu beobachten. Während aber 2020 noch auf 29.500 Hektar Roh-Opium produziert wurde, waren es 2021 bereits wieder 30.200 Hektar. 80% davon im Shan-Staat. Hinzu kommt die Produktion synthetischer Drogen. Diese sind gegenüber dem Schlafmohn oft attraktiver, da sie in ihrer Herstellung wesentlich einfacher sind und ein geringeres Risiko bedeuten. Auch der Gewinn ist meist höher da synthetische Drogen höher potenziert verkauft werden.Gemeinsam mit Opium werden die Drogen überwiegend im Shan-Staat produziert und durch das Goldene Dreieck in Südostasien und dem Rest der Welt verbreitet. Für die Bevölkerung bedeutet dies einen Rückfall in die Schattenwirtschaft, zurück in einen Teufelskreis aus illegalem Drogenhandel und Konflikten.

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Hoffnungsvolle Alternativen

Daher ist die Produktion des Spezialitätenkaffees durch das Volk der Akha, und die Tee- und Ingwerernte im Volk der Ta´ang besonders wichtig. Beides sind erfolgreiche Alternativen, denn durch fairen und direkten Handel haben es diese ethnischen Gruppen geschafft aus der Schattenwirtschaft zu entkommen. Ihre Alternativen müssen besonders jetzt weiter gefördert werden damit sie auch weiter als Hoffnung und Inspiration stehen für andere im „Goldenen Dreieck“, und ganz Myanmar.

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Ein Jahr nach dem Putsch. Wie geht es unseren Partner*innen in Myanmar?

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Im Schatten grüner Wälder sprießt die Hoffnung der Akha, einer ethnischen Minderheit im Hochland Myanmars – Jadae Kaffee. Er bringt dem von Vertreibung und Armut gefährdeten Bergvolk Wege in die Unabhängigkeit und sichert ihre Existenz. Bäuer*innen aus 14 Dörfern haben sich nun zusammengetan. Gemeinsam haben sie ein Sozialunternehmen gründet und damit das Fundament für langfristige wirtschaftliche Perspektiven geschaffen. 

Wie geht es unseren Partner*innen in Myanmar? Welche Auswirkungen haben der Militärputsch auf sie? Wir sprechen mit BuSaw, der Geschäftsführerin und Kaffeeexpertin, über ihre aktuelle Lage.

Interview mit BuSaw, Geschäftsführerin von Jadae Kaffee in Myanmar

Portrait von Bu Saw

 

Danke, das du dir für ein Interview Zeit nimmst, Busaw!
Welche Arbeitsschritte gibt es gerade für dich und dein Team zu tun?

BuSaw:
Gerade haben wir alle Hände voll zu tun, die Kaffeeernte hat begonnen. In den Wäldern pflücken wir Kirsche für Kirsche und bringen sie zur Weiterverarbeitung an unseren Hof in Kent Tung. Hier selektieren wir die Ernte noch einmal per Hand – nur die reifen, roten Kaffeekirschen kommen in die Nassmühlen, wo das Fruchtfleisch entfernt wird. Die Bohnen werden immer wieder aussortierten und schließlich in der Sonne getrocknet.

Welche Mengen erntet ihr?

BuSaw:
Drei Tonnen Rohkaffee wurden letztes mal geerntet. 2,3 Tonnen davon habt ihr von Conflictfood uns abgenommen. Wir selber trinken natürlich auch welchen, der Rest wurde an Kunden hier in der Region verkauft.

Warum habt ihr nicht in andere Länder, ausser an uns in Deutschland, exportiert?

BuSaw:
Seit der Pandemie ist der weltweite Warentransport unzuverlässig und teuer geworden. Und hier in Myanmar haben fast alle Transportunternehmen seit dem Putsch geschlossen. Es ist aufwändig und teuer, unsere Ware nach Yangon zu liefern. Selbst Muster für Röstproben und Geschmackstests für „Cuppings“ (Verkostungen von Spezialitätenkaffee) können nur mit viel Aufwand das Land verlassen. Die Proben für Conflictfood wurden von Mitarbeitern der GIZ im Handgepäck nach Deutschland gebracht. 

Wie vielen Menschen bringt der Jadae Kaffee Arbeit?

BuSaw:
Unser Team ist seit letztem Jahr gewachsen, zehn Leute ernten in den Wäldern, 15-20 Leute sind in der Weiterverarbeitung beschäftigt, 3-4 Kolleg*innen arbeiten mit mir im Büro, ich leite die Geschäfte. 

Mit welchen Schwierigkeiten seid ihr derzeit konfrontiert?

BuSaw:
Es ist nicht einfach, die Ernte einzubringen und die Kaffeekirschen weiter zu verarbeiten.
Die Einschränkungen wegen Covid19, Sicherheitsgesetze und häufige Bombenexplosionen hier in der Region machen die Fahrten von Dorf zu Dorf und somit auch den Transport der Kaffeekirschen zu einer schwierigen Herausforderung.
Ständig fällt der Strom aus. Die Kosten für mobiles Internet sind explodiert, das erschwert die Kommunikation im Team. Um die Sicherheitslage für jede Lieferung zu kommunizieren, warten wir nun, bis der Strom wieder läuft. Hinzu kommt die Inflation, die Kaufkraft des Kyat (Währung in Myanmar, 1 Euro = 0,00049 Kyat, Stand 6.02.2022) sinkt von Tag zu Tag. 
Es ist zermürbend. 

Wie soll es nun weiter gehen?

BuSaw:
Dass ihr uns im letzten Jahr trotz der widrigen Umstände mehr als zwei Tonnen Kaffeebohnen abnehmen konntet,
war ein sehr wichtiger und hilfreicher Schritt für uns, die Geschäfte weiter zu führen, ein Team aufzubauen und fair zu entlohnen. Es wäre wirklich eine enorme Hilfe, wenn wir unsere grünen Kaffeebohnen auch dieses Jahr wieder nach Deutschland liefern können. In naher Zukunft möchte ich dann zusammen mit weiteren 50 Bäuer*innen aus drei Dörfern, 20 Acres (8 Hektar) neu bewirtschaften – genug Platz für 20.000 Kaffeepflanzen. Es ist wichtig für mich, trotz der aktuellen Schwierigkeiten mit Optimismus in die Zukunft zu blicken.

Wir danken dir für deine Zeit und für die ehrlichen Antworten, BuSaw!

BuSaw’s Jadae-Kaffee findest du in unserem Online-Shop.

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Hilferuf aus Myanmar

Zuletzt ist es still geworden um das Goldene Land. Was im Frühjahr noch die Schlagzeilen dominierte wird heute von anderen Ereignissen überschattet. Für die Menschen in Myanmar hat sich die Lebenssituation seit dem Militärputsch jedoch keineswegs verbessert.
Von unserem Conflictfood-Partner vor Ort – Htun Thaw – erreicht uns dieser Hilferuf.

Htun Thaw* ist Gründer und Geschäftsführer einer traditionsreichen Teemanufaktur im Shan State, Myanmar und seit vier Jahren unser Handelspartner für Conflictfood-Tees.

* Aus Sicherheitsgründen und auf seinen Wunsch hin haben wir Namen und Bilder anonymisiert.

Ein Machtkampf um die Zukunft

Die junge Demokratie währte nicht lange im ehemaligen Burma. Seit dem Militärputsch befindet sich das Land im Ausnahmezustand. Auf die Machtübernahme der Militärs antwortete die Bevölkerung mit einer beispiellosen Aktion zivilen Ungehorsams, die bis heute andauert. Selbst die noch so brutale Unterdrückung jeglichen Widerstands durch das Regime, die bis dato tausende von Toten zu verantworten hat, scheint die Willensstärke der Protestierenden und den Wunsch nach Demokratie nicht stoppen zu können. Nun ruft der Präsident der Opposition zum Angriff auf das Militärregime auf – mit dem Ziel die Zivilregierung wieder herzustellen. Die Auswirkungen sind dramatisch: „Momentan stehen wir vor allem vor drei großen Problemen: Politische Unruhen, dem wirtschaftlichen Stillstand oder Zusammenbruch und einem beispiellosen Anstieg an Covid-Infektionen” erklärt uns Htun Thaw.

„Momentan stehen wir vor allem vor drei großen Problemen: Politische Unruhen, dem wirtschaftlichen Stillstand oder Zusammenbruch und einem beispiellosen Anstieg an Covid-Infektionen”

Neue Welle der Gewalt

Seit dem Putsch wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation AAPP (Assistance Association for Political Prisoners) mehr als 1000 Zivilisten getötet, rund 8000 verhaftet, 6000 von ihnen befinden sich heute noch immer hinter Gittern. Gewalttaten und Explosionen gehören zum traurigen Alltag. Htun Thaw erzählt uns von Razzien, die in Häusern von Widerstandsleistenden und Aktivist*innen in jedem Dorf, in jeder Stadt, stattfinden. Der Schaden, den die Militärs so auf ihre eigenen Menschen und die Gesellschaft anrichten, habe gewaltige Ausmaße angenommen. Die Zustände seien dem eines Bürgerkrieges ähnlich und nun befürchtet Htun Thaw eine neue Welle der Gewalt.

“Wir befinden uns inmitten eines Bürgerkrieges und ich befürchte, die nächste Welle der Gewalt rollt auf uns zu.”

Die Pandemie hat leichtes Spiel

Die Bekämpfung der Pandemie ist im Zuge der Ausschreitung fast vollständig in den Hintergrund geraten. Eine Form des zivilen Ungehorsams ist die des Streiks. Im Zuge dessen haben auch viele Ärzt*innen und Pflegepersonal ihre Arbeit niedergelegt, kaum ein Krankenhaus läuft im Normalbetrieb. Verlässliche Zahlen zum Infektionsgeschehen existieren nicht, man liest aktuell von täglich 2000 Neuinfektionen, von einer Rate von 20% positiv Getesteter und zahlreichen Toten, geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. 

Besonders an der Grenze zu Indien führt die Ausbreitung der Delta-Variante zu teils katastrophalen Zuständen in den Krankenhäusern. Auch wird immer wieder von Ausbrüchen in Gefängnissen berichtet. Welche Opfer die Zivilgesellschaft im Kampf gegen die Militärregierung bereit zu leisten ist, zeigt auch die fehlende Impfbereitschaft. Im Vergleich zu Deutschland, hat das aber nichts mit medizinischen Vorbehalten zu tun, sondern stellt eine weitere politische Ausdrucksform des zivilen Ungehorsams dar. Die Maßnahmen der Junta, wie das Errichten neuer Quarantänezentren und das Verteilen von Masken, werden oft nicht akzeptiert, um auf keinen Fall Normalität einkehren zu lassen. Denn solange das Land im Chaos versinkt, war der Coup in den Augen der Opposition nicht erfolgreich.

Wirtschaftlicher Stillstand

Auch die Wirtschaft hält den instabilen Verhältnissen nicht länger stand. Viele ausländische Investoren ziehen sich aufgrund des instabilen Investitions- und Geschäftsumfeldes aus Myanmar zurück. Zuletzt tat dies der deutsche Großhandelskonzern Metro. „Wenig überraschend hat sich auch das große norwegische Telekommunikationsunternehmen Telenor zurückgezogen und seine Firma verkauft. Inländische Firmen sind komplett geschlossen. Auch ich habe meine Teeproduktion seit Juni eingestellt. Normalerweise läuft die Manufaktur das ganze Jahr von April bis November”, so Htun Thaw.

„Inländische Firmen sind komplett geschlossen.
Auch ich habe meine Teeproduktion seit Juni eingestellt. Normalerweise läuft die Manufaktur das ganze Jahr von April bis November.”

Die Folgen sind ein Exporteinbruch und steigende Inflation. Die Preise für Lebensmittel und Treibstoff sind regelrecht am explodieren. Der Kyat, die Währung Myanmars, hat ein Drittel an Wert verloren. Dabei war die burmesische Wirtschaft in den letzten Jahren auf einem guten Weg – auch aufgrund verbesserter Bedingungen für ausländische Investor*innen und der Expansion des Telekommunikationssektors.

Htun Thaw erklärt uns auch, dass sich die Situation aktuell durch Einschränkungen im Finanzmarkt noch verschlimmert. Neuerdings werden für Geldtransfers hohe Gebühren erhoben und es gibt Limits bei der Auszahlung von Bargeld. Das sei dramatisch, besonders, wenn man bedenkt, dass viele Menschen aufgrund des zivilen Ungehorsams ihre Arbeit verloren haben und somit auf ihre Ersparnisse angewiesen sind. Ganz nach dem Motto „Cash is King” werde die Zentralbank und der Finanzsektor von der Junta als Druckmittel missbraucht.

Was wird die Zukunft bringen?

Währenddessen hat sich die Widerstandsbewegung zunehmend militarisiert und sucht die Kollaboration mit bewaffneten ethnischen Gruppierungen, die seit vielen Jahren gegen die Regierung und für ihre Rechte und mehr Unabhängigkeit kämpfen. In Teilen der Wirtschaftsmetropole Yangon gilt inzwischen Kriegsrecht, aus vielen Regionen werden Bombenattacken gemeldet und die Militärs machen auch vor Journalist*innen und Fotograf*innen keinen Halt mehr. Nun rief der Präsident der Opposition Duwa Lashi La im sozialen Netzwerk Facebook zum Verteidigungskampf „in jedem Winkel des Landes“ auf. Er will das Regime und den führenden General Min Aung Hlaing stürzen. Nach dem Putsch des Militärs in Myanmar sollte es in dem südostasiatischen Land nach Angaben des Junta Chefs nach einem Jahr Übergangsregierung zu Neuwahlen kommen, doch wie viele erwartet haben, wurde der Ausnahmezustand verlängert und es soll nun erst in zwei Jahren, im August 2023, Neuwahlen geben. Zusätzlich ist die Lage durch die bevorstehende UN-Vollversammlung in New York angespannt, für die entschieden werden muss, wer das Land Myanmar zukünftig im Gremium vertreten darf. Der bisherige Botschafter Kyaw Moe Tun hat sich mit der Oppositionsbewegung solidarisch gezeigt und den Putsch verurteilt.

„Wir möchten die politischen Führer in der Welt dazu auffordern, die Militärregierung zur Machtaufgabe zu bewegen und den Menschen in Myanmar so eine Rückkehr zu einer Zivilregierung unter der NLD (Nationale Liga für Demokratie) oder NUG (Partei der nationalen Einheit) zu ermöglichen.
Wir haben große Sorge vor einer Nahrungsmittelkrise, falls die Gewalt im Land anhält, da wir unter solchen Bedingungen unsere Felder nicht bewirtschaften können. Vor kurzem kam es zu Überschwemmungen, die viele Felder zerstört haben. Bitte unterstützt uns und rettet Myanmars so junge Demokratie, die über Nacht verschwunden ist!”

Handel bringt Hoffnung

Nach mittlerweile vier Jahren Zusammenarbeit verbindet uns mit Htun Thaw weit mehr als eine geschäftliche Partnerschaft. Lange gemeinsame Reisen durch Myanmar, viele Erlebnisse und Gespräche haben uns zu Freunden werden lassen. Umso tiefer trifft uns sein Hilferuf, den wir an dich weitergeben möchten.

Unser europäischer Handelspartner Conflictfood nimmt uns seit vier Jahren verlässlich die Ernte ab. Beinahe hätten wir dieses Jahr nicht liefern können.
Mit unseren letzten Ressourcen konnten wir die Ernte im Frühjahr einfahren und verarbeiten. Der Transport von unserem Lager im Hochland bis an den Hafen Yangon war diesmal eine enorme Herausforderung. Nun ist alles auf den Weg gebracht.”

Der Zusammenbruch des Exports hat auch unser Team vor enorme Herausforderungen gestellt. Salem, der unter anderem die Warenlogistik bei Conflictfood regelt, hat über mehrere Monate hinweg Platz in einem Containerschiff gesucht. Endlich ist es geschafft: Knapp zwei Tonnen der neuen Tee-Ernte waren auf dem Seeweg unterwegs – von Yangon nach Hamburg – und sind nun in unserem Lager eingetroffen.

Htun Thaw’s Bio-Grün- und Schwarztee gibt es in unserem Onlineshop. 

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Der Afghanistan-Einsatz ist beendet, doch der Krieg geht weiter

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7. Oktober 2001. Unter der Führung der USA beginnt eine Offensive gegen die Taliban-Regierung Afghanistans. Heute, knapp 20 Jahre später, endet ein Einsatz, der die Frage aufwirft: War es das wert?
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Die Vorgeschichte

Als die US-Koalition angriff, hatte Afghanistan bereits zwei Jahrzehnte Krieg hinter sich: die brutale sowjetische Besatzung von 1979 bis 1989 und den direkt folgenden Bürgerkrieg, der bis heute ungelöst ist. Gegen die Rote Armee hatten die Mudschaheddin  – auch mit US-Waffen – Widerstand geleistet, konnten sich danach jedoch nicht auf eine gemeinsame Zukunft einigen. Ihr rücksichtsloser Machtkampf zerstörte 1994 die Hauptstadt Kabul und führte zur Machtergreifung der Taliban.

Der Westen nahm auf diese Vorgeschichte keine Rücksicht. Die Zerstörer Kabuls und Gegner der Taliban wurden zu Partnern der USA. Die USA und NATO investierten viel Geld, um ein neues, demokratisches Afghanistan aufzubauen und ihre Transitwege für den Transport von wichtigen Rohstoffen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken an den Persischen Golf zu sichern. Doch schon zu Zeiten der Taliban gab es Verhandlungen mit den USA sowie einem brasilianischem Konsortium. Mit letzterem gab es sogar einen Vertrag, jedoch wurde dieser von den USA sabotiert. Bis zum Ende der Herrschaft der Taliban sollte kein neuer Vertrag mehr zustande kommen. Die Saat für neue Gewalt, neuen Terror und ausufernde Korruption war gelegt.

Am 9. September 2001 wurde einer der Anführer des afghanischen Widerstands gegen die Taliban, Ahmad Schah Massoud, ermordet. Wenige Tage später folgte der Anschlag auf die USA, der Auslöser für den Einmarsch der westlichen Truppen.

Die Nato kommt

Nach der Eroberung der Hauptstadt Kabul am 13. November 2001 gelang es US-amerikanischen Bodentruppen unter Mithilfe britischer Soldaten und den Milizen der Nordallianz, die Taliban in weiten Landesteilen zurückzudrängen.
Mit der
UN-Resolution 1386 wurde im Dezember die internationale Schutztruppe (ISAF) geschaffen, an der auch die Deutsche Bundeswehr beteiligt war. Dabei handelte es sich um eine Sicherheits- und Wiederaufbaumission unter Führung der NATO. 2002 wurde unter Hamid Karzai eine im Petersberger Abkommen (intl. bekannt als Bonn Agreement) beschlossene Übergangsregierung etabliert, im Oktober 2004 führte Afghanistan Präsidentschaftswahlen durch, bei denen er zum Präsidenten gewählt wurde. 
Obwohl es ab September 2008 mehrere Truppenverstärkungen gab, gelang es den USA und ihren Verbündeten nicht, die Taliban zu besiegen und das Land zu befrieden. US-Präsident Barack Obama plante 2009, alle US-Truppen bis 2011 aus Afghanistan abzuziehen. Tatsächlich endete die dreizehnjährige Kampfmission der NATO erst im Dezember 2014.

Im Zuge der Nachfolgemission “Resolute Support” waren bis zuletzt um die 12.000 Soldaten und Soldatinnen von NATO-Staaten in Afghanistan gleichzeitig stationiert. Gute 1000 davon Deutsche. Die Bundeswehr stationierte insgesamt rund 150.000 Soldatinnen und Soldaten, in Masar-i-Scharif und der Nähe von Kundus. Ihre vorrangige Aufgabe war die Beratung und Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften. Die Sicherheitslage hat sich trotz militärischer Unterstützung und finanzieller Hilfe massiv verschlechtert. Die politische Führung unter Präsident Aschraf Ghani war bis Anfang 2020, auch auf Grund des amerikanischen Einflusses, zerstritten. Die USA hatten massiven Einfluss auf das Wahlergebnis genommen, in dem sie entgegen der Verfassung Abdullah Abdullah (einen politischen Rivalen) 2014 zum Geschäftsführer der Regierung ernannten. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme belasten das Land zusätzlich schwer.

Viele Opfer auf beiden Seiten

Der Konflikt in Afghanistan zählt zu den tödlichsten der Welt. Die UN-Mission in Afghanistan dokumentiert die Zahl der zivilen Opfer erst seit 2009. Danach wurden bis Ende 2020 fast 111.000 Zivilisten getötet oder verletzt. Nach Schätzungen vieler Nichtregierungsorganisationen ist die tatsächliche Zahl deutlich höher. Im Mai und Juni 2021 sind laut UN fast 2400 Zivilisten verletzt oder getötet worden. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen ist das die höchste je erfasste Zahl ziviler Opfer für diese zwei Monate seit dem Beginn der Zählungen im Jahr 2009. Für die meisten zivilen Opfer sind die Taliban und andere extremistische Gruppen verantwortlich. Doch auch die internationalen Truppen haben den Tod von vielen Zivilisten zu verantworten – vor allem durch den Beschuss afghanischer Dörfer mit Kampfflugzeugen und Drohnen. Unter dem Friedensnobelpreisträger Obama gab es die meisten Drohnenangriffe überhaupt, er persönlich unterzeichnete die sogenannte “Kill List”. Die US-Armee selber verlor 2442 Soldaten, die Bundeswehr 59. Wie viele afghanische Soldaten und Polizisten getötet wurden, ist nicht bekannt. Die Zahl wird schon seit einigen Jahren aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Im Januar 2019 erklärte dann Präsident Ashraf Ghani beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos, dass seit seinem Amtsantritt 2014 mehr als 45.000 afghanische Sicherheitskräfte ihr Leben verloren hätten.

Über die Zahl der getöteten Taliban-Kämpfer und anderer Extremisten liegen ebenfalls keine gesicherten Erkenntnisse vor. Man geht von deutlich mehr als 50.000 Toten aus.

Money, money, money

Das Costs of War Project der Brown University hat evaluiert, dass die Vereinigten Staaten zwischen 2001 und 2021 mehr als zwei Billionen, also 2000 Milliarden Dollar, für den Afghanistan-Krieg ausgegeben haben. Etwa die Hälfte der Summe entfiel danach auf den Einsatz der US-Armee. Nach Angaben des Weißen Hauses investierten die USA im gleichen Zeitraum 144 Milliarden Dollar in den Wiederaufbau Afghanistans. Der Großteil dieser Summe, mehr als 88 Milliarden US-Dollar, sei in den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte geflossen und auch das weitere Geld ist ging fast ausschließlich an Projekte, die eine militärische Relevanz hatten. 
Laut Auswärtigem Amt in Berlin hat Deutschland zwischen 2002 und 2020 mehr als 18 Milliarden Euro für den Afghanistan-Einsatz aufgewendet. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums entfielen 12,5 Milliarden Euro auf den Einsatz der Bundeswehr.
Nach Recherchen der Deutschen Welle hat das Auswärtige Amt seit 2001 zivile Unterstützung in Höhe von 2,4 Milliarden Euro geleistet. Der Aufbau staatlicher Institutionen sei zwischen 2002 und 2019 mit rund 950 Millionen Euro unterstützt worden.
Es gibt aber auch ganz andere Zahlen. Das „Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung“ beispielsweise schätzte die gesamten Kosten allein für die ersten zehn Jahre des Krieges schon auf etwa 36 Milliarden Euro.

Was hat die internationale Intervention erreicht, wo hat sie versagt?

Als die Intervention im Oktober 2001 begann, war Afghanistan ein isoliertes und zerstörtes Land. Nur drei Länder erkannten das fundamentalistische Emirat der Taliban an: Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Heute ist Afghanistan eine Islamische Republik mit einer demokratischen Verfassung und einer international anerkannten, gewählten Regierung. Frauen sitzen im Parlament, Mädchen besuchen die Schule. Es gibt eine junge, bildungshungrige Generation, die mit Leidenschaft die Angebote der neuen Schulen und Universitäten nutzt. Es gibt eine lebendige Medienlandschaft und neue Krankenhäuser. Doch das Land hat keinen Frieden gefunden und ist sozial tief gespalten. Ein Großteil der Hilfe kam nur den städtischen Eliten zugute. Über die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt weiter in bitterer Armut. Besonders betroffen: die umkämpften Gebiete im Süden und Osten des Landes – das Kernland der Taliban.

Gibt es eine Chance auf Frieden?

Zeitnah nicht. Nach ihrem Sturz im Winter 2001 waren die Taliban in einer Position der Schwäche, doch die USA lehnten Gespräche damals kategorisch ab. Das rächt sich jetzt, denn heute fühlen sich die radikalen Islamisten als Sieger – spätestens seit der Unterzeichnung des Doha-Abkommens im Februar 2020 mit den USA, dessen Verhandlung ohne Beteiligung der afghanischen Regierung stattgefunden hat. 
Seit September 2020 finden inner-afghanische Friedensverhandlungen in Doha zwischen Taliban und der afghanischer Regierung statt, jedoch gibt es bis heute keine konkreten Erfolge.

Die Taliban haben eines ihrer Hauptziele aber schon erreicht: den bedingungslosen Abzug der internationalen Truppen. Sie sind militärisch in der Offensive und rücken landesweit auf urbane Zentren vor. Forderungen nach einem Waffenstillstand ignorieren sie. Sie lehnen die afghanische Verfassung ab und wollen sie durch ein “wahrhaft islamisches System” ersetzen.
In der ersten Hälfte dieses Jahres hat die Zahl der zivilen Opfer zugenommen. Vor allem Journalistinnen, Richterinnen und Aktivistinnen wurden durch gezielte Attentate getötet. Eine neue Welle von Gewalt rollt über Afghanistan. Es scheint als ob die Taliban den Sieg vor Augen haben.
Genauso wie der US-geführte Krieg im Irak hat auch der Konflikt in Afghanistan weltweit für mehr, nicht weniger Terror gesorgt. Er hat eine Region, in der die beiden Atommächte Indien und Pakistan miteinander rivalisieren und Iran, China und Russland nach mehr Einfluss streben, aufgewühlt. 
Der Truppenabzug ist ein Eingeständnis für das eigene Versagen.

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EXPORTKRISE IN MYANMAR – WARUM UNSER JADAE KAFFEE NICHT LIEFERBAR IST

Ein Mann mit einer jungen Kaffepflanze

Foto: GIZ

Fairer und direkter Handel mit Konfliktregionen? Das sei unmöglich, hörten wir nur zu oft, gerade als die Idee von Conflictfood noch in den Kinderschuhen steckte. Doch unsere Vision, Bäuerinnen und Bauern in politisch instabilen Regionen neue Absatzmärkte zu eröffnen und ein gerechtes Einkommen zu ermöglichen, war stärker. Unsere Bilanz nach mittlerweile fünfjährigem Bestehen, zeigt uns aber auch, wie sehr aktuelle Entwicklungen unsere Arbeit beeinflussen. Ein Beispiel ist die Situation in Myanmar.

Zwei Soldaten am Straßenrand

Die Pandemie gerät in den Hintergrund

50 Jahre lang hatte das Land eine Militärdiktatur ertragen und keine sechs Jahre sind  die ersten freien Wahlen her. Im Februar riss die Militärjunta erneut die Macht an sich. Die Hoffnungsträgerin für Demokratie, Aung San Suu Kyi, wurde aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen verhaftet, das Militär zeigt wenig Barmherzigkeit mit Demonstrierenden und hunderte Menschen mussten für den Kampf um die Freiheit mit ihrem Leben bezahlen. Als Folge ist das öffentliche Leben lahmgelegt, Lieferketten funktionieren nicht mehr richtig, die Landeswährung steht unter Druck, Hilfsorganisationen legen ihre Projekte auf Eis oder ziehen sich ganz zurück und die Corona-Bekämpfung rückt in den Hintergrund. Aus dem Shan-Staat, im Norden Myanmars, beziehen wir Bio-Tees, Ingwer und Spezialitätenkaffee. Doch unsere diesjährige Bestellung von einer Tonne Rohkaffee lässt seit Monaten auf sich warten.

Trotz anfänglicher Hürden stehen wir nach wie vor in engem Kontakt mit unseren Partnerbäuerinnen und -bauern vor Ort und wollen dir nicht vorenthalten, was sie zu sagen haben. Im folgenden Interview gibt uns die liebenswerte Bu Saw, Geschäftsführerin von Jadae Akha Coffee, Auskunft über ihre aktuelle Situation. 

Wir sprechen mit Bu Saw, Geschäftsführerin Jadae Akha Coffee

Ein Portrait von Bu Saw

Foto: Bu Saw

Bu Saw, schön, dass du dir die Zeit nimmst uns einige Fragen zu beantworten. Wir können uns nur schwer vorstellen, wie sich die Situation in Myanmar gerade anfühlt. Kannst du uns helfen zu verstehen, wie sich die aktuelle politische Situation auf eure Erntearbeit und den Verkauf des Spezialitätenkaffees auswirkt?

Die aktuelle Lage stellt uns vor viele Schwierigkeiten. Ein Beispiel ist die verhängte Ausgangssperre von 8 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. Es liegt nahe zu vermuten, dass diese Ausgangssperre mit der Pandemie zu tun hat. Doch in Wirklichkeit will die Militärjunta damit Proteste und Versammlungen verhindern. 

An einem normalen Tag sind wir zwischen 7 Uhr am Morgen und 5 Uhr am Abend mit der Ernte der Kaffeekirschen beschäftigt. Direkt im Anschluss wird die Ernte zumeist auf Motorrädern zur Weiterverarbeitung transportiert. Um beste Qualität zu gewährleisten, ist es wichtig, die Kaffeekirschen so schnell wie möglich weiter zu verarbeiten. Unser Einsatzgebiet ist sehr groß, die Wege sind weit und aufgrund der Ausgangssperre bleibt kaum Zeit die Arbeit zu Ende zu bringen. Alle helfenden Hände werden gebraucht. Die einzig gute Nachricht ist, dass der Zusammenhalt in dieser herausfordernden Zeit extrem stark ist und wir uns gegenseitig unterstützen, wo wir nur können. 

Die schwierige politische Situation hat aber auch noch weitere Auswirkungen auf unseren Betrieb. So wurde der mobile Internetzugriff von der Militärregierung komplett abgestellt. Das trifft uns hart, denn so können wir unseren Kaffee weder auf sozialen Netzwerken verkaufen, noch können wir für unsere Produkte werben. 

Die größte Sorge bereitet uns allerdings der Transport. Viele Logistikunternehmen und internationale Fluglinien haben ihren Betrieb eingestellt. Es ist dementsprechend schwierig für uns, unseren Kaffee an Abnehmer und Abnehmerinnen im Ausland zu versenden – sei es zum Cupping oder zum Verkauf. Gerade steckt unsere Lieferung nach Deutschland fest und wir wissen noch nicht wann es weiter geht. Auch im Inland lässt sich unser Kaffee aufgrund der Unruhen, die sich im ganzen Land ausgebreitet haben, nur schwer verkaufen.

Kaffeebäuerinnen beim Sortieren des Kaffees

Foto: GIZ

Das hört sich alles nach einer großen Herausforderung und vielen Unsicherheiten an. Du sprichst von einem großen Zusammenhalt in eurem Team. Wie gehen die Bäuerinnen und Bauern mit der Situation um?

Das Jahr ist sehr schwierig für uns. Uns allen ist klar, dass die politische Instabilität anhalten wird und auch kein Ende der Pandemie in Sicht ist. Die Bekämpfung des Virus ist aufgrund der Unruhen in den Hintergrund geraten. Dieses Jahr konnten wir noch keinen Kaffee verkaufen und die Bäuerinnen und Bauern haben große Sorge davor, ihren Lebensunterhalt bald nicht mehr bestreiten zu können. Vielleicht ist es unser Glück, dass es nach wie vor viel zu tun gibt und so wird weiter fleißig gedüngt, Unkraut gejätet und die Farm in Schuss gehalten. Kraft und Hoffnung geben wir uns gegenseitig durch aufmunternde Worte und Unterstützung wo es nur geht. 

Gibt es denn etwas, was wir in Europa tun können, um euch zu unterstützen?

Eigentlich würde ich jetzt sagen, kauft unseren Kaffee! Doch, da die Lieferkette gerade unterbrochen ist, bitte ich euch darum, Geduld zu üben und hoffe sehr, dass es bald weitergeht. Mit ein wenig Glück könnte die nächste Lieferung noch diesen Sommer bei euch eintreffen und dann könnt ihr unseren köstlichen Kaffee wieder genießen. 

Liebe Bu Saw, danke für das Gespräch!

Eine Gruppe Menschen geht auf einer Straße

Foto: GIZ

Wir vom Conflictfood-Team hoffen sehr, dass sich die Lage in Myanmar verbessert und die Menschen vor Ort wieder auf ein gesichertes Leben vertrauen können. Wir wünschen uns eine friedliche Zukunft, sowie die Rückkehr zu einer demokratisch gewählten Regierung. Sobald es die politische Situation ermöglicht, bringen wir dir die frische Kaffeeernte von Yangon über Hamburg und Berlin zu dir an deinen Tisch. Unsere Auswahl an Bio-Tee und Ingwer, der ebenfalls von einer ethnischen Minderheit in Myanmar stammt, haben wir noch auf Lager. Mit dem Kauf sorgst du für stabile Einkommen, vor allem für Frauen und Jugendliche vom Volk der Ta’ang.

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KAFFEE STATT OPIUM IN MYANMAR

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Wenn man Konflikte und Kriege näher beleuchtet, trifft man oft auf eine Drogenökonomie. Das Land Afghanistan ist weltweit der größte Exporteur von Opium. Einige wenige Erfolgsbeispiele zeigen, dass es auch anders geht: wie das Frauenkollektiv Shakiban, welches den Umstieg von Opium- auf Safranproduktion gemacht hat. Ihren Safran kannst du hier kaufen.

A man lances a poppy bulb to extract the sap, which will be used to make opium, at a field in the municipality of Heliodoro Castillo, in the mountain region of the state of Guerrero January 3, 2015. According to local media, 42% of the poppies produced in Mexico come from the state of Guerrero, where impoverished farmers in the mountain cultivate opium poppies as cash crop due to the extreme poverty in where they live. Picture taken January 3, 2015. REUTERS/Claudio Vargas (MEXICO - Tags: DRUGS SOCIETY POVERTY AGRICULTURE) - RTR4OXFT

Angebot und Nachfrage

Der Anbau von Schlafmohn hat auch im Goldenen Dreieck eine lange Geschichte. Eingeführt aus China und befördert durch die Kolonialmächte ist der Anbau und Handel mit Opium zum lukrativen Geschäft für verarmte Bergvölker wie die Akha geworden – so lukrativ, dass die reguläre Wirtschaft kaum eine Chance gegen ihn hat. Besonders während und nach des Vietnamkriegs entstand der Ruf der Grenzregion zwischen Laos, Thailand und Myanmar als Zentrum für Opium- und Heroinherstellung – sie wurde zum “Goldenen Dreieck”, ein Name, der bis heute die Region prägt. Aufgrund steigender Nachfrage im Westen schossen die Produktionszahlen Ende der Achtziger weiter in die Höhe. Durch die niedrigen landwirtschaftlichen Anforderungen an die Pflanze konnte der Anbau derart große Ausmaße erreichen. 

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Schattenwirtschaft hinter der Mohnpflanze

Doch nicht nur von Armut bedrohte Bergvölker, die im Drogenhandel meist ihre einzige Einkommensquelle finden, sind am Handel beteiligt. Auch lokale Milizen, ethnische Widerstandsgruppen sowie Teile von Polizei, Militär und Verwaltung, ja sogar Klöster und Mönche sind in ihn verstrickt. Häufig werden die Grenzkontrollen von eben jenen Gruppen durchgeführt, die sich mit dem Drogenhandel finanzieren. So wird ein klarer Zusammenhang zwischen anhaltenden Konflikten in der Region und der Drogenproduktion sichtbar: Die Konflikte schaffen und befördern die Bedingungen, die den illegalen Drogenhandel erleichtern und sein Fortbestehen ermöglichen – die bewaffneten Gruppierungen können sich durch ihn finanzieren.

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Auf Platz zwei nach Afghanistan

Besonders Myanmar, das Land der goldenen Tempel und roten Roben, hat heute noch sehr mit dem Anbau und Handel von Opium zu kämpfen. Seit 2014 nimmt die Größe der Anbauflächen zwar kontinuierlich ab und auch die Produktionszahlen fallen zusehends. Trotzdem verbleibt Myanmar auf Platz 2 der weltweit größten Opiumproduzenten, direkt hinter Afghanistan, einer weiteren Schwerpunktregion von Conflictfood. Im Jahr 2019 wurden laut einer Studie der UNODC 508 Tonnen Opium auf 33.100 Hektar in Myanmar produziert. Bis zu 87% davon im nördlichen Shan-Staat, am Grenzbereich zu Laos und Thailand. Die Bergvölker, die den Schlafmohn anbauen, sind dabei selbst ihre besten Kunden. Das Rauchen von Opium hat Eingang in ihren kulturellen und medizinischen Gebrauch gefunden und hat viele somit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch körperlich abhängig gemacht. Auch ihre Landwirtschaft leidet unter der pink blühenden Blume: Die Monokultur sorgt für eine verschlechterte Bodenqualität, welche sich durch mangelnde Nährstoffe und geringere Resistenz gegenüber klimatischer Veränderungen bemerkbar macht. 

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© GIZ 

Kaffee statt Opium

Eines der Völker, das für den Anbau von Opium gar berühmt-berüchtigt ist, ist das der Akha.  Wir wollen ihnen Wege raus aus der Abhängigkeit und Armut ermöglichen. Gemeinsam mit Coffee Circle und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben wir eine viel wertvollere und nachhaltigere Kostbarkeit auf den bergigen Feldern der Akha entdeckt: Kaffeebohnen. Inmitten grüner Wäldern wachsen die hochwertigen Arabica-Bohnen. Der traditionelle Schattenanbau von Kaffeepflanzen bringt nicht nur ökologische Vorteile mit sich – er verleiht den Bohnen einen ganz besonderen, einzigartigen Geschmack, welcher den Kaffee zu einer wahren Spezialität macht. Diesen Spezialitätenkaffee wollen wir nun auf europäische Märkte bringen und den Akha ein faires, stabiles und vor allem legales Einkommen garantieren. So unterstützen wir sie bei der Erschaffung neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze und friedlicher Perspektiven auf dem Weg raus aus der Drogenökonomie.

Im zweiten Teil erfährst du wie sich der Drogenhandel in Myanmar seit dem Militärputsch entwickelt. 

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REISE ZUM URSPRUNG DES TEES – TEIL 3

Im vorherigen Beitrag konntest du das Team von Conflictfood auf wackeligen Schienen durch den Dschungel begleiten. Heute sind wir endlich im Herzen des Teeanbaues angekommen. Komm mit auf die Reise zum Ursprung des Tees!

Willkommen im Herzen des Teeanbaus!

Es sind vor allem die ländlichen Regionen, die stark umkämpft sind. Eben jene entlegenen Gebiete, in denen auch die Teepflanzen am besten gedeihen. Nur mit staatlicher Genehmigung dürfe Ausländer tiefer in diese Regionen vordringen. Mit dem Jeep führt uns Edward weiter an unser Ziel. Es sind noch zwei Stunden bis ins 1.400 Meter hoch gelegene Kutkai, dem Herzen des Teeanbaus.

Immer steiler und schmäler wird der Weg aus Stein und Geröll. Unverhofft lichtet sich plötzlich der Nebel und ermöglicht einen Blick über die weiten Landschaften des Nord-Shan. Ein Dschungel aus sattem Grün in hunderten Schattierungen, große Macadamiabäume, erhabene Teak-Riesen und dazwischen wächst wild und ursprünglich die Teepflanze. Intercropping nennen Agrarexperten diese nachhaltige Pflanzensymbiose und feiern sie als neuen Trend. In den Shan-Bergen ist dieser Trend schon hunderte Jahre alt.

"Two leaves and a bud"

Diese satt-grünen Hügel sind der Arbeitsplatz von Ei De Nwe. Ihr knallroter Sarong und die silbernen Hüftreifen verraten, dass auch sie zum Volk der Ta’ang gehört. Mit ihren 29 Jahren zählt sie zu den erfahrenen und gut bezahlten Teepflückerinnen im Dorf.

Der spätere Charakter des Tees liegt buchstäblich in ihrer Hand. Sie entscheidet, welches Teeblatt sie nach sorgfältiger Inaugenscheinnahme und vorsichtigem Befühlen pflückt. „Two leaves and a bud“, also nur die mit einem leichten Flaum überzogenen Endknospen eines Teezweiges sowie die beiden dazugehörigen Blätter sind es, die für den qualitativ hochwertigsten Tee gepflückt werden. Routiniert zupft Ei De Nwe diese jungen und zarten Triebe der Teebüsche mit der Hand ab und legt sie in den Korb. Mit wenigen, schnellen Handgriffen ist ein Busch abgeerntet, es folgt sogleich der Nächste.

Die Frühlingsernte, Shwe Phi Oo, wie Ei De Nwe sie nennt, ist die Kostbarste. Die ersten, frischen Triebe der Pflanze treiben im April aus und müssen zügig eingebracht und verarbeitet werden. Das gelingt nur mit einem großen und geschulten Team an Pflückerinnen.

Der am längsten andauernde Bürgerkrieg der Welt

So manche ihrer Kolleginnen aus dem letzten Erntejahr sind diesmal nicht dabei, erzählt sie. Bestenfalls suchen sie im nahen China freiwillig ihr Glück als besser bezahlte Erntehelferinnen. Schlimmstenfalls wurden die jungen Ta’ang-Frauen an chinesische Männer zwangsverheiratet. Chinas Ein-Kind-Politik und der Wunsch nach einem männlichen Stammhalter hat gerade in der chinesischen Grenzregion Yunnan das Geschlechterverhältnis aus dem Gleichgewicht gebracht. Für umgerechnet 3.000 Euro werden die angehenden Ehefrauen von Menschenhändlern über die Grenze verkauft. Auch die Erntehelferinnen aus dem Süden bleiben mehr und mehr aus. Es ist schlicht zu gefährlich geworden, meint Ei De Nwe und deutet mit ihrer Hand zum nächsten Hügel.

Hinter dichtem Laub versteckt erkennt man dort eine unscheinbare Blechhütte – ein Stützpunkt der Ta’ang National Liberation Army. Sie ist eine der 15 bewaffneten Rebellengruppen, die im Land seit mehr als 60 Jahren aktiv sind und für mehr Autonomie für ihre ethnische Minderheit kämpft. Ihnen gegenüber stehen die 350.000 Mann zählende Regierungsarmee, die sogenannte Tatmadaw.

Auch wenn sich dieser Konflikt dem internationalen Auge beinahe vollkommen entzieht, sprechen manche Beobachter von dem am längsten andauernden Bürgerkrieg der Welt. Hunderttausende Menschen hat dieser Krieg die Heimat gekostet und zum Teil ihr Leben. Die Menschen finden Zuflucht in den Bergen, leben in Camps oder bauen sich in anderen Teilen des Landes eine neue Existenz auf.

Dieser Tee schafft Identität

Seit vielen Generationen ist der Tee nun identitätsstiftend für die Menschen im Nord-Shan. Doch durch die Kämpfe werden die Bauern zu Vertriebenen. Mit ihrem Abwandern beginnt diese Identität zu verschwinden und Wissen geht verloren.

Edward von der Palaung Tea Growers & Sellers Association weiß um diese Gefahr. Deshalb hält er Schulungen und Kurse für die verbleibenden Bauern. Organisches Kompostieren, hygienisches Sonnentrocknen, selbst Buchhaltungskurse bietet er den Verbandsmitgliedern an. Der Kurs für morgen ist schon seit Wochen ausgebucht: Warenexport. Noch gibt es viele Stellschrauben zu drehen, um auf dem europäischen Markt nicht nur als Rarität zu gelten aber die Weichen sind gestellt. Es ist nicht nur Edwards großer Traum – alle Familien im Nord-Shan sind von der Idee begeistert, dass Menschen auf der ganzen Welt bald Tees aus Myanmar genießen können.

Hier in den Shan-Bergen endet sie, unsere lange Reise zum Ursprung des Tees. Edward schaut in unseren müden Gesichter und öffnet seinen Rucksack: „Ich habe die ideale Stärkung für euch“, ruft er und holt eine Thermoskanne hervor. Er gießt uns das Heißgetränk in einen Becher und reicht ihn uns. „Kaffee?!“ fragen wir verblüfft. Edward lacht herzlich, „Ja klar, was habt ihr erwartet!?

Hier kommst du zu Teil 1 und Teil 2 unserer spannenden Reise zum Ursprung des Tees.

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MYANMARS STEINIGER WEG IN RICHTUNG DEMOKRATIE

Myanmar - ein Land mit turbulenter Geschichte und Gegenwart

Myanmar, das Land der goldenen Tempel und der roten Roben. Der Nation im Herzen Südostasiens eilt ein geheimnisvoller Ruf voraus. Wir denken an grüne, exotische Landschaften, spirituelle Gebetsstätten, lächelnde Buddhas und weiße Elefanten. Und tatsächlich ist dieses Land, das vielen noch als Birma oder Burma bekannt ist, geprägt von einer bunten Vielfalt sowohl kultureller, sozialer als auch geographischer, wirtschaftlicher und vor allem ethnischer Art.

Diese Vielfalt bescherte dem Land seit Jahrhunderten eine sehr turbulente politische Geschichte. Nach dem Aufstieg und Niedergang zahlloser Königreiche wurde es im Jahr 1885 von der britischen Krone kolonialisiert. Zwischenzeitlich von Japan besetzt, endete die britische Kolonialherrschaft im Jahr 1948. Die Unabhängigkeit war eine Errungenschaft, die zu einem großen Teil einer Widerstandsbewegung unter dem Staatshelden General Aung San zu verdanken war. Er erlebte diese jedoch nicht, denn er wurde sechs Monate vorher in einer Kabinettssitzung erschossen. Viele Jahrzehnte später sollte seine Tochter Aung San Suu Kyi in seine Fußstapfen treten. Nach einer lang andauernden Phase der Militärdiktatur, welche das wirtschaftliche blühende Land unter eine zentrale Verwaltungswirtschaft stellte und dadurch isolierte und auslaugte, brachte sie den dringend erforderlichen demokratischen Prozess in Gang. Heute ist die Friedensnobelpreisträgerin eine mit einer großen Mehrheit gewählte Staatsrätin und führt de facto die politischen Geschäfte. Sie wird jedoch weltweit gleichermaßen geliebt wie kritisiert. 

Ein Militär, das auf Kosten des Gemeinwohls lebt

Doch der Demokratisierungsprozess ist nicht vollends abgeschlossen. Hinter den Kulissen ziehen noch immer die hochrangigen Generäle des Militärs die Fäden. Armut und Korruption sind weiterhin Teil des Alltags, das Militär will sich seine wirtschaftlichen Privilegien nicht nehmen lassen. Von der strategisch günstigen Lage zwischen China und Indien profitiert die Bevölkerung somit auch nicht. Die Einnahmen aus dem Verkauf der reichlich vorhandenen Bodenschätzen landen in den Taschen der Militärelite und werden dadurch dem Gemeinwohl entzogen. Vielmehr spüren die Menschen die Nachwehen der wirtschaftlichen Isolation zu Zeiten des Militärregimes. Das Geld versickert in den Kassen der politischen Elite oder auf den Konten reicher Geschäftsleute aus den großmächtigen Nachbarländern. 

Die Tragik der Rohingya

Mehr als 140 Ethnien leben in der heutigen Union of Myanmar. Der Wunsch nach Unabhängigkeit und mehr Autonomie mancher Minderheiten ist die Ursache für andauernde politische Konflikte.

Im Westen des Landes leidet die muslimisch geprägte Bevölkerungsgruppe der Rohingya unter der Verachtung und Verfolgung der Mehrheitsbevölkerung, besonders durch ultranationalistische Buddhisten. Die Vereinten Nationen sprechen von der am meisten verfolgten Minderheit der Welt, aber die Regierung Myanmars schweigt zu den massiven Menschenrechtsverletzungen, denen die Rohingya fortwährend ausgesetzt sind.Am anderen Ende des Landes, im Nordosten, tobt ein Bürgerkrieg. Einige ethnische Gruppen kämpfen gegen die Regierungsarmee. Seit sechs Jahrzehnten wird dieser bewaffnete Konflikt bereits ausgetragen und entzieht sich dennoch so gut wie komplett der öffentlichen Medienwahrnehmung und der daraus resultierenden Berichterstattung.

Trotz aller Konflikte ist Myanmar ein spannendes Land, welches zu entdecken gilt. Mit einer außergewöhnlichen Geschichte, seiner Tradition, den malerischen Landschaften und vor allem einer herzlichen und überaus gastfreundlichen Bevölkerung!

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DIE TRAGÖDIE DER ROHINGYA – EIN INTERVIEW

Ein trauriger Rekord

Ethnische Spannungen prägen den Vielvölkerstaat Myanmar. Besonders traurig erscheint die fast rassistische Verachtung, die einer ganz bestimmten Volksgruppe entgegengebracht wird: Die Rohingya, eine Minderheit, die anders glaubt, anders betet und anders aussieht, als die buddhistische Mehrheit.

Ca. 1,2 Millionen Rohingya leben teilweise gefangen hinter Stacheldraht in Camps oder sind auf der Flucht. Die Vereinten Nationen sehen in den Rohingya die weltweit am stärksten verfolgte Minderheit. Ein trauriger Rekord, der sich durch das Entziehen der Staatsbürgerschaft 1982 aufbaute, 2015 in Massenfluchten mit Schiffen eskalierte und heute wieder dazu führt, dass Tausende getötet werden und Hunderttausende von ihnen auf der Flucht sind.

Der burmesischen Armee werden Morde, Brandschatzung und Massenvergewaltigungen vorgeworfen. Auch radikale buddhistische Mönche haben aus ihrer Religion eine aggressive und ultranationalistische Ideologie gemacht. In ihrer Vereinigung mit dem Namen Ma Ba Tha schüren sie den Hass auf die Rohingya und schrecken nicht vor Gewalt zurück.

Im Gespräch mit…

Kyaw Soe Aung ist selbst Rohingya und vertritt die Positionen seiner Volksgruppe in der Partei Democratic and Human Rights Party. In Yangon treffen wir ihn zu einem Gespräch.

Herr Kyaw, wie ist die Situation für Sie in Myanmar?

Als Rohingya leben wir staatenlos und sind in unserer Heimat nicht anerkannt. Wir bekommen keinen Ausweis oder Pass, eine Geburtenregelung  erlaubt uns nicht mehr als zwei Kinder zu bekommen. Unsere muslimischen Geburtsnamen dürfen wir auch nicht tragen. Wenn wir heiraten wollen, müssen wir um staatliche Erlaubnis bitten, auf diese warten wir oft viele Jahre. Legal ausreisen dürfen wir sowieso nicht. Sollte uns dies doch gelingen, dürfen wir nicht wieder zurück in die Heimat.
Die meisten Rohingya leben im Bundesstaat Rakhine. In der Hauptstadt Sittwe leben die meisten wie in einem Freiluftgefängnis, abgeriegelt in einem Ghetto. Oder in einem der vielen sogenannten IDP-Camps, also Lager für Binnengeflüchtete.

Wie ist die Situation in diesen Lagern?

Die Lage ist katastrophal! Die Menschen haben kaum Zugang zu Trinkwasser, viel zu wenig Nahrungsmittel, Zelte, Decken und fast keine sanitäre Anlagen. Es gibt keine Schulen, keine Ärzte, nichts. Viele Kinder leiden zum großen Teil unter Darm- sowie auch ansteckenden Hautkrankheiten. Die Kindersterblichkeit ist hoch, doppelt so viele schwangere Frauen sterben hier als in gesamt Myanmar. Die Behörden regulieren den Zugang für internationale NGOs sehr streng. Viele Hilfsorganisationen werden sogar aus der Region verwiesen. Unser Volk ist nicht sicher.

Gibt es Sicherheit in den Nachbarländern?

Zehntausende von uns fliehen regelmäßig mit Booten in Richtung Bangladesch, Thailand und Malaysia. Dafür gilt es zuerst die Polizei an der Küste zu bestechen, die Schmuggler zu bezahlen und eine lange und gefährliche Reise auf einem überfüllten Fischerboot zu überleben. In Thailand, Indonesien und Malaysia werden viele als Arbeitssklaven oder teilweise Sexarbeiterinnen verkauft. Als staatenlose Menschen sind wir besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden. Wir werden nirgendwo offiziell vermisst.

Wie kam es zur Staatenlosigkeit?

Im Jahr 1982 beschloss die Regierung, jenen Volksgruppen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, die nicht vor 1824 in Myanmar ansässig waren. Obwohl historische Belege den Nachweis liefern, dass wir Rohingya seit Jahrhunderten Teil des Landes und der Gesellschaft sind, wurde uns die Staatsbürgerschaft entzogen. Es gibt zwar mindere Bürgerschaftsgrade und diese sind uns theoretisch zugänglich. In der Praxis allerdings wird der Zugang durch schikanöse Bestimmungen blockiert und de facto unmöglich gemacht. Daher die Staatenlosigkeit. Wir sind der Willkür von Polizei, Militär und Behörden weitgehend schutzlos ausgeliefert.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir Frieden zwischen den Religionen und den hier lebenden Völkern. Doch leider ist die Situation soweit eskaliert, das es ohne den Druck der internationalen Gemeinschaft schwer wird, die rechtliche Situation der Rohingya  aber auch anderer Minderheiten zu verbessern. Die Welt muss auf die Regierung von Myanmar Druck ausüben. Wir haben große Hoffnungen auf Aung San Suu Kyi gesetzt aber sie ist zu schwach gegenüber den Militärs und den radikalen Buddhisten-Gruppen im Land. Eine Blauhelm-Mission wäre ein erster wichtiger Schritt, um unserem Volk eine sichere Zukunft zu ermöglichen.
Und den NGOs muss wieder uneingeschränkter Zugang in die Geflüchteten-Camps gewährt werden, sodass die humanitäre Katastrophe endlich ein Ende hat.

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“EIN ORT, DEN ES NICHT GEBEN SOLLTE”

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Gestrandet in Calais

Im Halbstundentakt bringt „Le Shuttle“ seine Fahrgäste durch den Eurotunnel vom französischen Calais nach Dover im Vereinigten Königreich. Ungefähr 50 Euro kostet die Fahrt für jeden, der den richtigen Reisepass besitzt. Für ca. 10.000 Männer, Frauen und Kinder bleibt die Fahrt in das nur 50 Kilometer entfernte Wunschziel ein weit entfernter Traum. Seit Monaten sammeln sie sich am Stadtrand von Calais, auf einem ehemaligen Industriegelände und leben unter unzumutbaren Bedingungen in Zelten oder Containern.

Ronja Keifer hat bis vor zwei Wochen für viele Monate in Calais gelebt und als eine von vielen Freiwilligen im Camp gearbeitet. Heute wird der „Dschungel“, wie das Camp auch genannt wird- geräumt. Conflictfood traf sich zu diesem Anlass in Berlin mit Ronja zum Interview.

Was war der Grund für dich, nach Calais zu gehen?

Letztes Jahr im Sommer habe ich in den Medien erste Bilder vom Camp gesehen und bald eine gewisse Unruhe in mir gespürt. Als ich über die Gruppe L´Auberge des Migrants erfuhr, dass Freiwillige dringend gesucht wurden, fiel meine Entscheidung schnell. Ich fuhr einfach hin.

Was hast du in Calais vorgefunden?

Das Camp an diesem Ort gibt es seit April 2015. Als ich ankam, lebten im Camp etwa 3.000 Geflüchtete in improvisierten Behausungen und Menschen kamen mit Sach- und Kleiderspenden an, aber alles war sehr unsortiert und chaotisch. Bald formten sich Strukturen ähnlich wie in einem kleinen Dorf: improvisierte Moscheen, Kirchen, Schulen, Frauentreffpunkte, Handy-Ladestationen und dergleichen. Was fehlte, waren ausreichend Toiletten. Gemeinsam mit den Geflüchteten und Freiwilligen wurden Sachspenden gesammelt, sortiert und verteilt. Gemeinsam mit der Refugee Community Kitchen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die tägliche Versorgung mit warmen Mahlzeiten zu gewährleisten.

Wie sah der tägliche Alltag für dich in der Refugee Community Kitchen aus? 

Morgens gegen acht beginnt die Arbeit in der Küche, durchschnittlich 120 Kilo Reis müssen erst gewaschen und dann gekocht werden, je nach Verfügbarkeit werden Gemüse und Hülsenfrüchte vorbereitet und zu einer warmen Mahlzeit verkocht. Auch frischer Salat wird täglich zubereitet. Jeden Tag, Montag bis Sonntag, haben wir ungefähr 2500 Portionen ausgeteilt.

Welche Rolle spielt das Essen für die Bewohner*innen?

Eine sehr wichtige! Als „Lebensmittel“ dient es natürlich erst einmal dazu, den Hunger zu stillen, ist darüber hinaus aber auch immer mehr als nur ein einfaches Bedürfnis. Jeder Einzelne hat einen eigenen Geschmack und verbindet etwas Persönliches mit Essen. Mir ist vor allem auch bewusst geworden, dass für viele Menschen eigentlich bedeutender ist, wie gegessen wird, also zum Beispiel in großer Gesellschaft. Das was wird dann eher zur Nebensache, wobei es auch hier viele Unterschiede gibt, etwa, wie scharf ein Essen sein sollte. Im Camp selbst habe ich Essen als etwas sehr Verbindendes und Friedliches erlebt, oftmals saßen Menschen unterschiedlicher Nationen an einem Tisch, Eritreer neben Äthiopiern, Christen neben Moslems. Als das Camp immer weiter gewachsen ist, und irgendwann um die 10.000 Bewohner hatte, habe ich das Essen stärker als Notwendigkeit erlebt. Es gab mehr Druck bei der Verteilung.

Wie ging es den Bewohner*innen im Camp?

Die lange Zeit im Camp ist für jeden zermürbend. Neuankömmlinge kamen mit viel Hoffnung, die Tag für Tag kleiner wurde. Das nagt an der psychischen Verfassung jedes einzelnen. Es gab immer wieder Streitereien. Im Camp gab es lange Zeit keine Polizei, es gab „community leader“-System – das waren meist jene, die gut Englisch sprachen. Aufgrund der hohen Fluktuation gab es aber keinerlei Konstante, alle kommen und gehen.

Wie sah die staatliche Hilfe im Camp aus?

Staatliche Hilfe gab es viel zu wenig. Neben Sanitären Einrichtungen, Wasserstellen und Müllentsorgung gab eine Essensausgabe für ungefähr 2000 Portionen. Zwischendurch wurden Container ergänzt, in denen etwa 2000 Menschen lebten. Im Allgemeinen wurde die Notlage von der Regierung nicht rechtzeitig anerkannt. Ohne die Hilfe der vielen Freiwilligen wäre es wahrscheinlich längst schon zu einer Katastrophe gekommen.

Warum zieht es viele nach ihrem langen Weg durch Europa nach England?
Nicht alle im Camp in Calais wollen nach England, viele haben in Frankreich Asyl beantragt und bisher keinen Platz in einer offiziellen Unterkunft bekommen. Für Sudanesen ist die Chance auf Asyl in England größer, das Verfahren geht viel schneller als etwa in Deutschland oder Frankreich. Viele wollen auch aus familiären Gründen nach England, auch die Sprache ist ein Bonus weil viele Geflüchtete eher Englisch als Deutsch oder Französisch sprechen.
Warum Gelangen Geflüchtete denn auch über den Kanal?

Manche ja, es gibt mafiöse Strukturen, die halsbrecherische Methoden anbieten. Bis zu 5.000 Euro werden für den Schmuggel verlangt. Viele versuchen sich in LKWs über die Grenze zu bringen. Für manche enden diese Versuche tödlich.

Hast auch du dich in den Monaten in Calais verändert?

Ja! Die Zeit im Camp hat mich sehr stark geprägt. Das Camp wurde schnell ein Stück weit Heimat und ich habe es wegen der Menschen sehr wertgeschätzt. Verändert hat sich für mich auch die Idee des Teilens. Anfangs hatte ich diesen „Wahn“ zu geben, ohne Ende zu arbeiten. Über die Monate habe ich gelernt, dass zum Geben auch ein Nehmen gehört – so wird es zur Chance für beide. Also habe ich begonnen, Einladungen zum Tee, zum Essen oder einfach zum Gespräch dankend anzunehmen.

Gerade wird das Camp von der Polizei geräumt. Wie geht es dir damit? 

Ich habe dabei gemischte Gefühle. Einerseits denke ich mir: Endlich tut sich was, denn so ging es nicht mehr weiter. Dieser Ort sollte nicht existieren! Andererseits habe ich Sorge um die einzelnen Menschen und ihre Schicksale. Ich hoffe auf eine friedliche Räumung und dass jeder eine sichere Heimat findet.

Danke an Ronja für das Interview!

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GAME OF DRONES

Kampfdrohneneinsätze zwischen Videospiel und realer Brutalität

Zwei Sergeants der US-Airforce sitzen in gemütlichen Kunstledersesseln in einer klimatisierten Kabine im Fort Knox in Kentucky / USA. Das Steuerungspult wirkt wie das Cockpit eines Kampfjets. Im Unterschied zu regulären Kampfpiloten befinden sie sich jedoch in totaler Sicherheit. Die zahlreichen hochauflösenden Bildschirme zeigen eine Liveübertragung vom fernen Einsatzland Afghanistan aus der Vogelperspektive. Gerade überfliegen ihre Drohnen süd-östliche Provinzen nahe der Grenze zu Pakistan. Ihr Ziel: ‚bugsplat’ (Ungeziefer klatschen) – im gegenwärtigen US-Militärjargon eine gängige Bezeichnung für Drohnenschläge. Gejagt werden Terroristen im Rahmen der US Anti-Terrormission ‚Freedom’s Sentinel’.So oder ähnlich könnte sich die Situation vor dem gezielten Drohnenanschlag auf den Chef der afghanischen Taliban Akthar Mansur abgespielt haben, den das Pentagon vor knapp drei Wochen bekannt gab.

Afghanistan im Visier

Seit geraumer Zeit feuern die USA jede Woche mit ferngesteuerten Kampfdrohnen Bomben auf afghanische Provinzen, um Gegner wie Mansur zur Strecke zu bringen. Solche sog. “strategische Treffer”, sind von der US-Regierung bejubelt. Dafür werden zivile Todesopfer als Kollateralschäden gleichmütig hingenommen.

Derzeit ist Afghanistan das am meisten durch Drohneneinsätze zerbombte Land der Welt. Aufgrund seiner geopolitisch strategischen Lage im mittleren Osten ist das Land seit jeher eine Drehscheibe von internationalen Konflikten. Jahrzehntelang stand deshalb die afghanische Zivilgesellschaft unter Beschuss. Die Liste der Opfer ist endlos, das eingesetzte Arsenal an unmenschlichen Waffen sprengt jedes Vorstellungsvermögen. Seit der sowjetischen Besatzung ist das Land noch immer völlig vermint und ihre übriggebliebenen Schmetterlingsbomben, getarnt als Spielzeuge, zielten auf die Verwundung der Jüngsten ab.

Zielgenau? Treffsicher? Effektiv?

Drohnen werden seitens der USA – und anderer Befürwortern – als die humanitäre Waffen charakterisiert, weil sie im Gegensatz zur traditionellen Kriegsführung angeblich eine äußerst effektive, präzise Tötung einzelner Personen zulassen.

Einmal abgesehen von der grundsätzlichen ethischen Infragestellung der Legitimität der staatlich gesteuerten Tötung von Menschen, ist es ebenso fragwürdig, ob man vermeidliche Bösewichte im Angriffsfall überhaupt aus solchen großen Distanzen zuverlässig erkennen kann? Die von Präsident Obama geleitete Jagd nach Terroristen basiert auf einer Kategorisierung von Lebensmustern, wonach Personen als verdächtig eingestuft werden. Offiziellen Vertretern Obamas zufolge ist im Ernstfall jede männliche Person im kampffähigen Alter, die sich in den Drohneneinsatzgebieten aufhält, so lange potentiell verdächtig, bis ihre Unschuld bewiesen werden kann. Meistens jedoch sind die Kampfjets schneller als die Ermittlungen.

Mit der Veröffentlichung von geheimen Papieren über die drohnenbasierte US-Militärstrategie deckte das Nachrichtenportal “The Intercept” auf, dass die Drohnenmorde alles andere als präzise sind. 90% von den Opfern der US-Drohnenoperation in Afghanistan waren keine militärischen Ziele. Allein im Jahr 2015 wurden in nur sechs Monaten mindestens 400 Menschen von Drohnenanschlägen getötet, darunter mehrheitlich Zivilisten. Diese hohe Anzahl von zivilen Opfern spricht gegen die Zielgenauigkeit und Treffsicherheit der Drohnenschläge. Auch ihre Effektivität gegen den Terror ist anzuzweifeln – nach Mansurs Tod wurde das vorübergehende Machtvakuum seitens der Taliban schnell wieder gefüllt, zukünftig übernimmt sein Stellvertreter Haibatullah Achundsada die Leitung.

Aufstieg der Drohnen, Fall des Völkerrechts

Nach dem Startschuss der US-Mission “Freedom’s Sentinel” unter Friedensnobelpreisträger Barack Obama hat sich der Einsatz von Drohnen zwischen 2011 und 2015 von 5% zu 56% aller US-Operationen erhöht. Dieser Anstieg lässt sich mit den zunehmenden Legitimitätsproblemen der politischen Führungsgarden erklären: Kriege zu rechtfertigen ist grundsätzlich ein ethischer Balanceakt, insbesondere gegenüber der eigenen Bevölkerung. Wegen ihres vermeidlich minimal-invasiven Charakters passt die Drohne nun perfekt in den Rahmen der US-amerikanischen Doktrin der ‚guten Kriegsführung’, in der die USA als ‚Global Cop’ für Recht und Ordnung sorgt.

Aber, dahinter steckt ein klares Kalkül: die Drohne dient dem Schutz der eigenen Nation. Da Drohnen bequem von zu Hause aus gesteuert werden können, geht der Staat zumindest bezüglich der eigenen Bürger geringere Risiken ein. So wirbt auch die US-Air Force für eine Ausbildung zum Drohnenpiloten mit einem Video, dass den Drohnenkrieg, wie ein Computerspiel darstellt. In der Realität haben oftmals weder die entsprechenden Regierungen noch die betroffenen Gesellschaften eine Ahnung, wo genau gegenwärtig akute Gefahr aus der Luft heraus herrscht. So machen Drohnen, laut dem französischen Philosophen Grégoire Chamayou, die gesamte Welt zum Kriegsraum und den Krieg potentiell allgegenwärtig. Genau genommen sind damit die Grundprinzipien des Völkerrechts und der Kriegsethik umgeworfen: nationale Souveränität wird angegriffen und nicht der Schutz von Zivilisten, sondern vielmehr der Schutz der eigenen, involvierten Streitkräfte steht im Vordergrund des Kampfeinsatzes.

Folgenreiche Fernsteuerung

Letztlich sind die unbemannten Waffen möglicherweise auch für ihre Piloten gefährlich. Die extreme geografische Distanz täuscht eine eigene Unverwundbarkeit vor. Damit fördern Drohnen eine Videospielmentalität. Physisch mag das zutreffen, per Knopfdruck werden Morde ohne eigene körperliche Involvierung abgewickelt. Unklar ist allerdings derzeit noch inwieweit die Psyche der Soldaten langfristig angegriffen wird.

Klar ist, dass die Angriffe für eine Entfremdung der Opfer sorgen und Hass schüren. Die zunehmende Betroffenheit der Zivilgesellschaft und ausbleibende Gegeninitiativen seitens der aktuellen afghanischen Regierung unter Ashraf Ghani erhöhen die Rekrutierungsmöglichkeiten der bewaffneten Opposition, sprich: auch der Taliban. Vielleicht bieten Drohnen Alternativen zur allgegenwärtigen Zerstörung im totalen Krieg. Aber, durch Drohnenschläge getötete Terroristenführer allein eröffnen definitiv keine Wege in Richtung Frieden. Der Fall Mansur verdeutlicht, dass er sozusagen nur der ‚Kopf der Hydra’ ist – ein neuer führender Kopf bildet sich schnell heraus und erfährt womöglich noch mehr Solidarität. Dass Drohnen tatsächlich auch für humanitäre Zwecke eingesetzt werden können, zeigen junge Unternehmen wie Zipline International, deren Drohnen zukünftig überlebenswichtige Medikamente in Kriegsregionen wie Ruanda liefern sollen. So werden die unbemannten Kriegsflieger zu Friedensboten!

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KRIEGSTEPPICHE

Geknüpfte Geschichte

Nomadische Völker des heutigen Afghanistans haben die Kunst des Teppichknüpfens perfektioniert – der afghanische Teppich ist jedem ein Begriff. Invasionen und Kriege brachten jedoch eine ganz neue und skurrile Variante der Knüpfkunst hervor! Was haben Kalaschnikows und Bomben auf Teppichen zu suchen? Und was hat das mit Conflictfood zu tun?

Das Teppichknüpfen ist in Afghanistan eine jahrtausendealte Tradition. Afghanische Teppiche wurden weltweit geschätzt, sie waren ein wichtiges Exportgut des Landes. Die ersten gewobenen Kelims und geknüpften Teppiche wurden damals von Nomaden als Ersatz für Tierfelle hergestellt. Sie waren ein praktisches und vielfältiges Möbelstück weil man sie gut einrollen, aufs Pferd oder Kamel packen und am neuen Rastplatz sofort wieder als gemütlichen Boden, “Wand” oder “Eingangstür” benutzen konnte.

Jeder Stamm hat seit Generationen sein eigenes Muster und seine eigene Farbgebung, vergleichbar mit europäischen Familienwappen.

Die traditionelle Kunst des Teppichknüpfens gehört zu den ältesten kulturellen Leistungen der Menschheit und wurde 2010 sogar in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen.

Entstehung und Entwicklung der Teppichmuster

Die ersten Muster von Web- und Flechtwerken waren denkbar einfach. Die rechtwinkelige Struktur von Schuss und Kette im Webrahmen gibt – im Gegensatz zur Buchmalerei oder Keramik – alle Grundformen vor: Streifen, Quadrate, Rechtecke, Sechs- und Achtecke dominierten Jahrtausende lang die Grundformen von Teppichen. Lauter Formen, die geflochtene Bänder als Bild wiederholen und deren reziprok entstehenden Zwischenräume (also deren Löcher und freien Stellen, Sechs- oder Achtecke im Flechtwerk) darstellen. Ein Blick auf das Geflecht eines Stuhles genügt, um dieses Prinzip zu verstehen. Die über Jahrhunderte und Jahrtausende nur geometrischen und durchgemusterten Teppiche integrierten mit der Zeit Merkmale des jeweiligen Klimas sowie Gedankengut aus Mythologie und Religion, aber auch aus dem täglichen Erfahrungs- und Lebensbereich der Künstler. Für den schriftkundigen Nomaden wird der Teppich mehr und mehr zum lesbaren Piktogramm, zum Kultobjekt oder Kulturgegenstand.

Die Vielfalt an Mustern und Motiven, die Vernetzung vieler Kulturen, die ethnologischen, aber auch klimatischen Eigenheiten führten zur traditionellen Verwendung bestimmter Farben, Motiven, sogar zur Verwendung bestimmter Techniken und Proportionen eines jeden Stammes oder Gebietes.

Im Laufe der Zeit erweiterte sich der Motivkanon. Das persische und osmanische Reich verwendete Designs, die aus der Buchmalerei und Keramik entsprungen sind – floraler, höfischer Prunk, üppige Kurven und Rosetten wurden dargestellt, Jagd- und Gartenmotive waren beliebt, erstmals wurden auch Seide und Baumwolle verarbeitet. Auch die kleinen, typischen Zeltformate wurden zum Teil durch riesige Palastformate ersetzt. Beide Seiten, die höfische und die traditionell nomadische Tradition bereicherten sich gegenseitig in ihrem Stil und ihrer Formensprache. Mit dem Niedergang der Osmanen und der afghanischen Invasion in Persien endete der höfische Stil abrupt.

Vom Luxus zur Massenware

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zur zweiten entscheidenden Wende: Nicht zuletzt durch die Wiener Weltausstellung von 1873 wurde der Orientteppich weltweit auf breitester Basis vorgestellt. Der Handel und die Bestellungen erreichten bis 1900 ein unvorstellbares Ausmaß – der Orientteppich wurde zum Statussymbol, Material und Muster wurden von nun an vom Markt diktiert. In den 1920ern wurden Nomaden zum großen Teil sesshaft. Teppiche wurden seitdem bei großen Manufakturen bestellt und als Massenware gehandelt.

Ab 1960 entstanden Kopien traditioneller Muster auch in europäischen Drittländern wie Rumänien und Bulgarien, etwas später, circa ab 1970, in orientalischen Drittländern, und zwar in Pakistan und Indien, noch später sogar in China.

Somit stand und steht neuen Entwicklungen an Muster und Farbe nichts mehr im Wege. Mittlerweile entstehen alljährlich neue Teppicharten mit dem Versuch, Marktnischen zu nutzen und dem Kundengeschmack zu entsprechen.

Geknüpfter Krieg

In den 1980ern, während des sowjetisch-afghanischen Krieges, starben zwischen einer und anderthalb Millionen Menschen, fünf Millionen waren wegen des Krieges aus dem Land geflohen. Viele gingen nach Pakistan, wo eine Möglichkeit der Lebenssicherung das Teppichknüpfen war.

Dieser Krieg brachte auch eine neue, außergewöhnliche Kategorie der Gegenwartskunst. Auf afghanischen Knüpfteppichen erschienen nach der sowjetischen Invasion in den 1980ern erstmals radikal neue Bildmotive: Die Kriegsteppiche bzw. „War Rugs“ entstanden. Statt Granatäpfeln zeigen sie Handgranaten, statt Blumen Flugzeuge und Kalaschnikows. Bildeten die Waffen zunächst die Bordüre, so rückten sie bald als Hauptmotiv in die Mitte, um schließlich die ganze Fläche eines Teppichs zu bedecken.

Photo credit: Kevin Sudeith/Warrug.com ( https://www.warrug.com/index1.php?idr=1669 )

Die Teppiche heroisieren nicht nur die eigenen Taten, sie führen oft die erdrückende Übermacht des Feindes der Weltöffentlichkeit vor Augen: Eine Moschee wird von einer Rotte von Kettenfahrzeugen eingekreist; ein Stadtviertel ist von feindlichen Truppen besetzt und schweren gegnerischen Angriffsgeräte stehen die eigenen leichten Feuerwaffen gegenüber.

Wie stark der Kriegsalltag mit der Kunst interagiert wird klar, wenn man sich die schnelle Weiterentwicklung der Motive genauer ansieht: Nach 2001 findet sich der Einmarsch der NATO auf den Teppichen wieder und ganze Editionen bilden den Anschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Centers ab. Seit einigen Jahren ergänzen Drohnen und Drohnenangriffe den Bilderkanon der Teppiche. 

Photo credit: Kevin Sudeith/Warrug.com ( https://warrug.com/November.php)

Obwohl diese geknüpften Bilder die Allgegenwart todbringender Waffen bezeugen und vom Leid der Menschen und ihren seelischen Verletzungen berichten, verweisen sie auch auf traditionelle Werte, die Hoffnung geben sollen und Frieden verheißen. Mit dieser “Kunst im Widerstand“ haben die Menschen eine Ausdrucksform gefunden, um sich mit den furchtbaren Kriegserlebnissen und ihrer Flucht aus der Heimat auseinanderzusetzen und sie zumindest ansatzweise psychisch zu verarbeiten. Psychogramme und Bilder gegen das Vergessen werden zu geknüpften Zeitdokumenten und halten diese neue Form der Teppichkunst am Leben.

Conflictfood führt die Tradition weiter

Auf unserer Reise durch Afghanistan fanden wir immer wieder Kriegsteppiche auf den Märkten und in Teppichläden. Allesamt waren bei genauerer Betrachtung maschinell gefertigte Billigware. Die älteren und somit wertvolleren Originale sind längst in den Händen von Sammlern weltweit und erzielen hohe Preise auf Auktionen.

Ob Kriegsteppiche Kitsch oder Traditionshandwerk sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auf uns übten sie jedenfalls eine eigenartige Faszination aus und waren Inspiration für die grafische Umsetzung der Conflictfood Safran–Verpackung. In der Tradition der Kriegsteppiche haben wir, gemeinsam mit unserer Grafikerin Lisa Baur, das Thema neu aufgegriffen. Viele Varianten sind dabei entstanden, wurden immer wieder verändert und verbessert, bis wir uns für den Druck dieses Motives entschieden haben: Auf den ersten Blick erscheint das Muster ähnlich einer traditionell afghanischen Teppichstruktur. Erst auf dem zweiten Blick sieht man Granaten, Gewehre, Flugzeuge und Safranblüten.

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AFGHANISTAN – EINE TRAURIGE BILANZ

Friede, Freude, Eierkuchen?

Eine Bilanz der vergangenen 15 Jahre Besatzung und Krieg offenbart, wie grandios die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan gescheitert sind. Der Krieg gegen Afghanistan hat die Welt nicht sicherer gemacht, sondern ist, wie auch der im Jahr 2003 gegen den Irak geführte Krieg, bis heute ein einziges Terrorzuchtprogramm. Und wie ist die Situation in Afghanistan jetzt?

Frieden

Von Frieden kann in Afghanistan keine Rede sein. Das Land war 2013 nach dem Weltfriedens-Index der angesehenen britischen Zeitschrift The Economist das unfriedlichste Land der Welt. Unfriedlicher als der Irak, Syrien und Somalia.
Unter den “gescheiterten Staaten” (Staaten in denen grundlegende Funktionen nicht erfüllt werden) nimmt Afghanistan in Asien Platz 1 und weltweit Platz 7 ein.
Über 100.000 Afghanen wurden laut „Ärzte gegen den Atomkrieg“ getötet. Unter anderem mit 1.228 Streubomben und mit je 295.000 Einzelsprengsätzen, die allein im ersten Kriegsjahr zum Einsatz kamen.

Taliban

Ähnlich wie beim Abzug der Sowjets im Jahr 1989 beherrschen die Taliban die ländlichen Regionen des Landes. Die nationalen afghanischen Truppen aber sitzen verunsichert in den großen Städten. Jedes Jahr desertiert ein Drittel. Die Taliban können fast nach Belieben zuschlagen.

Bildung

Die Lage im Bildungssektor ist katastrophal. Afghanistan hat den schlechtesten Durchschnittswert in Sachen Schulbesuchsdauer in ganz Asien.
47% der Schulen haben kein Schulgebäude, 75% keine Toiletten. Über zwei Drittel der schulpflichtigen Kinder erreichen nicht einmal die 6. Klasse.

Mädchen und Frauen

Laut der Reuters Foundation ist Afghanistan für Frauen das gefährlichste Land der Welt, knapp vor der Demokratischen Republik Kongo.
Nur 13% der Mädchen beenden eine Schule. Ganze 30% schaffen es bis zur 6. Klasse. Nur 50% der 416 Distrikte haben eine Haupt- oder Realschule für Mädchen. Und nur 20% ein Mädchen-Gymnasium. Dort wo es Schulen gibt, schicken laut UN übrigens auch die Taliban ihre Mädchen seit Jahren zur Schule. Auch in Gebieten, die von ihnen kontrolliert werden. Ein Krieg war hierzu eigentlich nie nötig.

© Rada Akbar
Gesundheit

Wähle eine Lieferadresse, an der du oder eine Vertrauensperson das Paket auch tatsächlich entgegennehmen kann. Falls das nicht klappt, kannst du auch an eine Packstation liefern lassen oder direkt ins Büro – unsere Erfahrung zeigt, hier klappt die Zustellung meist beim ersten Versuch.
Drei Viertel der Afghanen haben laut Weltbank keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In keinem anderen Land der Welt leiden so viele Kinder unter 5 Jahren an schwerer Mangelernährung. Afghanistan hat in dieser Altersgruppe in Asien die höchste Sterblichkeitsrate. Bei der Säuglings-Sterblichkeit liegt das Land weltweit auf Platz 1.

Korruption

Gemeinsam mit Nord Korea und Somalia gilt Afghanistan laut Transparancy International als das korrupteste Land der Welt. Auch auf dem Geldwäsche-Index des Basler Instituts ICAR liegt Afghanistan auf Platz 1. In Afghanistan trifft sich die kriminelle “Elite” der Welt.

Justiz

In vielen Provinzen treiben kriminelle Privatarmeen nie entwaffneter, ja sogar neu bewaffneter Kriegsfürsten und heimlicher Verbündeter der NATO ihr Unwesen. Kriegsverbrecher wie der blutrünstige General Dostum sind beste Freunde der USA. Amerikanische Morde an Zivilisten und Gefangenen werden nicht verfolgt. Folter ohnehin nicht. Trotz aller schönen Reden des US-Präsidenten. Der afghanische Justizapparat gilt als der korrupteste Bereich aller staatlichen Behörden. Auch auf Druck der USA. Gerechtigkeit ist in Afghanistan ein Fremdwort.

Demokratie

Auch Demokratie, wie wir sie kennen, gibt es in Afghanistan nicht. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen werden in der Regel von allen Kandidaten gefälscht. Anschließend wird der Sieger in einem schmutzigen Kuhhandel unter maßgeblicher Mitwirkung der USA ausgemauschelt.

Eine Erfolgsgeschichte!

Die Menschen in Afghanistan haben Besseres verdient, als die Folgen einer fehlgeleiteten und von Krieg beherrschten westlichen Außenpolitik zu erdulden.

Wir von Conflictfood wollen ausgewählten afghanischen Produkten und ihren Produzenten den Zugang zu neuen Absatzmärkten eröffnen, damit es aufwärts geht mit Afghanistan. Dazu haben wir ein Frauenkollektiv in der Provinz Herat besucht, die diesen Schritt geschafft haben: Weg vom Opium – hin zum Safrananbau!

Solche Erfolgsgeschichten wollen wir weiter fördern. Wir haben dem Kollektiv Safran abgekauft, gerecht und direkt bezahlt und ihn für euch mitgebracht. Wir stärken dadurch lokale Strukturen, bieten den Menschen ein echte Perspektive und bekämpfen somit Fluchtursachen an der Wurzel.

Im nächsten Blogpost erfahrt ihr mehr über die Gruppe von Frauen, die den kostbaren Safran kultivieren!

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